Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
schnappte Beka angriffslustig. »Sieh sie dir doch an! Dazu hat all das Gerede über Gastrecht und heiligen Boden geführt, und jetzt gehen sie auf der Straße gegenseitig aufeinander los.«
»Das hatte ich allerdings auch nicht für möglich gehalten. Nicht in Sarikali«, gab Seregil zu. »Aber nun kennen wir die Gefahr, und wir sind durch deine Soldaten und die Bôkthersa geschützt.«
»Ich habe überall um uns herum Schutzbanne errichtet«, fügte Thero hinzu. »Ohne mein Wissen kommt hier niemand herein, nicht einmal Magie kann eindringen.«
»Damit sitzen wir hier immer noch in der Falle, wenn Korathans Mission bekannt wird«, knurrte Beka.
»Ich weiß«, sagte Seregil. »Darum müssen wir tun, worum Magyana uns bittet – wir müssen ihn abfangen, ehe uns jemand zuvorkommt.«
»Und wie sollen wir das anstellen? Ich glaube kaum, dass es mit einer netten Nachricht getan ist, sofern die ihn überhaupt noch rechtzeitig erreicht.«
Seregil und Alec tauschten einen geheimnisvollen Blick. »Ich schätze, es ist an der Zeit, zu beweisen, dass Idrilain Recht hatte, mich mit euch zu schicken.«
»Heute Nacht scheint der Verrätermond«, fügte Alec hinzu, als würde das alles erklären.
Seregil gluckste. »Wenn das nicht ein Omen ist.«
»Worüber, zum Teufel, redet ihr da?«, schimpfte Beka. »Wir müssen einen Weg finden, Korathan aufzuhalten …« Plötzlich brach sie ab und starrte ihn aus großen Augen an. »Du hast doch nicht gemeint, du wolltest gehen?«
»Na ja, ich und Alec.«
Alec grinste. »Kennst du außer uns irgendjemanden, dem du diese Informationen anvertrauen würdest und der imstande wäre, sich als Aurënfaie auszugeben?«
»Aber du bist ein Verbannter. Sie werden dich umbringen, wenn sie dich erwischen. Und Alec vielleicht auch.«
Nun blickte sie nicht mehr einem Spion oder Verschwörer in die Augen, sondern einem Freund, einem Mann, der für sie seit ihrer Geburt ein Onkel gewesen war, der sie auf seinen Schultern getragen und ihr exotische Geschenke mitgebracht hatte, der sie in die subtilsten Kampfestaktiken eingewiesen hatte. Und Alec – Tränen traten ihr in die Augen, und sie wandte rasch den Blick ab.
Seregil ergriff ihre Schultern und drehte ihr Gesicht wieder in seine Richtung. »Dann sollten wir uns wohl lieber nicht erwischen lassen, was?«, sagte er. »Außerdem werden wir uns auf dem Gebiet der Akhendi und der Gedre befinden. Sie werden mich vielleicht zurückzerren, aber sie werden mir nichts tun. Ich weiß, dass die Sache überaus riskant ist, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Dein Vater würde mich verstehen. Ich hoffe, du tust das auch. Wir brauchen deine Hilfe, Rittmeisterin.«
Der feine Tadel traf heftig genug, sie wieder zu Verstand zu bringen. »Na schön. Wie schnell kann Korathan in Gedre eintreffen?«
»Wenn er mit dem Wind segelt? Vier oder fünf Tage. Wir können in drei Tagen die Küste erreichen und in See stechen, um ihn abzufangen, noch ehe er vom Hafen aus in Sicht kommt.«
»Genug Zeit, vorausgesetzt, es gibt keine unvorhergesehenen Zwischenfälle«, stimmte sie stirnrunzelnd zu. »Trotzdem ist es Selbstmord, wenn du gehst. Vielleicht könnten ich oder Thero mit Alec gehen.«
Seregil schüttelte den Kopf. »Es wird eine Menge Überzeugungskraft brauchen, Korathan dazu zu bringen, sich gegen seine Schwester zu stellen, und, mit allem gebührenden Respekt, ich denke, niemand kann das besser als ich. Er kennt mich, und er weiß, wie seine Mutter zu mir stand. Wenn er auch Phoria gegenüber loyal ist, ist er doch von beiden der Vernünftigere. Ich glaube, ich kann ihn überzeugen.«
»Und wie willst du ungesehen nach Gedre gelangen? Sie werden dir jemanden hinterherschicken, sobald bekannt wird, dass du nicht mehr da bist.«
»Erst müssen sie uns mal finden. Es gibt noch andere Wege durch das Gebirge. Der, an den ich denke, ist stellenweise sehr unwegsam, aber kürzer, als der, den wir auf dem Hinweg genommen haben. Mein Onkel hat uns immer über diese Route geführt, wenn wir auf Schmugglertour waren.«
»Werden diese Wege auch durch Magie geschützt?«, fragte Thero. »Wenn dir irgendetwas passiert, was soll Alec dann tun? Er kann diese Magie ebenso wenig passieren wie wir.«
»Darüber werden wir uns Sorgen machen, wenn es nötig wird«, entgegnete Seregil. »Jetzt müssen wir erst einmal herausfinden, wie wir aus der Stadt hinauskommen, ohne dabei gesehen zu werden.«
»Wenigstens der Mond steht vorteilhaft für uns«, bemerkte Alec.
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