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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Mydri.
    Er zog die beiden Frauen an sich. Plötzlich brauchte er ihre Arme um seinen Leib, ihre Tränen an seinem Hals.
    Oh Aura! weinte er selbst im Stillen, während er seine Schwestern umfasst hielt. Der Gedanke, sich von ihnen überzeugen zu lassen, war so unendlich verlockend, die Vorstellung, gar nichts zu tun und einfach nur an Ort und Stelle abzuwarten, so nahe an seinem Zuhause, wie er es vermutlich nie wieder in seinem Leben sein würde. Und selbst wenn Klia als Geisel genommen würde, könnte man ihm vielleicht sogar gestatten, bei ihr zu bleiben.
    Es schmerzte. Beim strahlenden Licht, es schmerzte so sehr, sich aus dieser Umarmung zu lösen, doch er musste es tun, ehe es zu spät war.
    »Es tut mir leid, aber ich kann es euch nicht erklären«, sagte er. »Ihr könntet das Atui nicht wahren, wenn ihr mein Geheimnis hüten müsstet. Ich bitte euch nur, bis morgen nichts zu verraten. Später, wenn es vorbei ist, werde ich euch alles erklären, das verspreche ich euch. Und ich versichere euch beim Khi unserer Eltern, dass das, was ich tun werde, ehrenhaft und richtig ist. Ein weiser Mann hat mich gewarnt, dass ich eine Wahl würde treffen müssen, und ich habe die richtige Wahl getroffen, auch wenn ich etwas anderes erhofft hatte.«
    »Warte hier.« Adzriel wandte sich ab und eilte aus dem Raum hinaus.
    »Du kleiner Narr!«, zischte Mydri, die ihn erneut finsteren Blickes musterte. »Nach allem, was es uns gekostet hat, dich hierher zu bringen, tust du ihr das an? Und mir ebenso?«
    Seregil ergriff ihre Hand und legte sie in Höhe des Herzens auf seine Brust. »Du bist eine Heilerin. Sage mir, was du fühlst«, forderte er sie heraus. Er setzte ihrem Zorn den seinen entgegen. »Fühlst du Freude? Verrat? Hass gegenüber dir oder meinem Volk?«
    Sie verfiel in regloses Schweigen, und er fühlte, wie sich über der Haut unter ihrer Handfläche Hitze ausbreitete. »Nein«, flüsterte sie. »Nein, Haba, ich fühle nichts dergleichen. Nur Entschlossenheit und Furcht.«
    Diese Worte entlockten Seregil ein kurzes, bitteres Lachen. »Im Augenblick mehr Furcht als Entschlossenheit.«
    Mydri zog ihn wieder in die Arme und drückte ihn fest an sich. »Trotzdem bist du ein Narr, Haba, wenn du auch zu einem guten, edlen Mann herangewachsen bist. Möge Aura dich auf all deinen Wegen begleiten.«
    »Unsere anderen Schwestern werden mich dafür hassen.«
    »Es gibt durchaus noch größere Narren als dich«, seufzte sie und ließ von ihm ab. »Adzriel ist die einzige von uns Fünfen, die einen Blumentopf wert ist.«
    Er lachte aufrichtig und lauthals, ehe er sich bei ihr mit einem Kuss bedankte.
    Adzriel kehrte mit einem langen schmalen Bündel auf den Armen zurück. »Dies wollten wir dir geben, wenn du uns verlässt. Wie es scheint, ist die Zeit ein wenig schneller gekommen als erwartet.« Sie schlug einen Zipfel des Bündels zurück und präsentierte ihm das Heft eines Schwertes.
    Ohne nachzudenken streckte Seregil die Hand aus und schloss seine Finger um den mit Leder und Drahtgeflecht umwickelten Griff. Mit einer einzigen, ebenmäßigen Bewegung löste er die Klinge aus ihrer Scheide.
    Polierter Stahl spiegelte das Licht wie dunkles Silber. Eine geriffelte Falz verlief über die Mitte der Klinge und machte sie ebenso stabil wie leicht. Die Griffstange verjüngte sich und bildete zu beiden Seiten eine Kurve in Richtung der Klinge, damit man dem Gegner das Schwert einfach entreißen konnte.
    Als er die Waffe anhob, stockte ihm der Atem. Sie lag perfekt in seiner Hand, gerade schwer genug und durch das Gewicht des gerundeten Knaufes wohl ausbalanciert.
    »Akaien hat es angefertigt, nicht wahr?«, fragte er, als ihm die Handschrift seines Onkels in den klaren, harten Linien des Schwertes bewusst wurde.
    »Natürlich«, antwortete Adzriel. »Wir wussten, dass du Vaters Schwert nicht würdest haben wollen, also hat er dies für dich gemacht. Nachdem ich gesehen habe, wie du in Rhíminee lebst, bin ich davon ausgegangen, ein Übermaß an Zierrat würde dir nicht behagen.«
    »Es ist wunderbar. Und dann das hier.« Er strich mit dem Daumen über den ungewöhnlichen Knauf, in dessen Stahl eine große Scheibe aus den polierten Steinen Sarikalis eingelassen war. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
    Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, überkam ihn das Gefühl, dass er durchaus einmal etwas sehr Ähnliches gesehen hatte, aber er wusste nicht recht, wo.
    »Er hat gesagt, es wäre ihm im Traum erschienen. Als ein Talisman, der

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