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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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um keinerlei Aufmerksamkeit zu erregen. Die Wahrheit aber war, dass er diesen Abschied wenigstens zum Teil allein bewältigen musste.
    Als er an jenem Nachmittag schließlich in seinem Schlafgemach allein war, packte er übertrieben hastig die wenigen Dinge, die er für die Reise brauchen würde zusammen: sein Kettenhemd, warme aurënfaiische Kleidung, einen Wasserschlauch, seine Werkzeuge.
    Er spürte Corruths Ring sanft gegen seine Brust schlagen. Einen Augenblick lang unterbrach er seine Arbeit und umfasste das Schmuckstück mit der Hand, wohl wissend, dass er nun jede Chance vertan hatte, ihn jemals mit Würde zu tragen. Schon jetzt war er ein Gesetzloser.
    Plötzlich überkam ihn eine Woge der Benommenheit, und er musste sich auf das Bett setzen. Es war so einfach gewesen, vor den anderen seine Fassade aufrechtzuerhalten; es war eine seiner größten Gaben, sich nichts anmerken zu lassen. Aber nun, da er allein war, fühlte er, wie etwas in ihm zerbrach, ein Schmerz, scharf und peinigend wie eine der zerschmetterten Glaskugeln aus seinen Visionen. Er legte eine Hand über seine Augen und kämpfte gegen die Tränen an, die unter seinen fest geschlossenen Lidern hervordrangen.
    »Ich habe Recht. Ich weiß, dass ich Recht habe!«, flüsterte er. Nur ihm allein würde Korathan Gehör schenken.
    Aber du bist keineswegs so überzeugt, dass er sich wird überzeugen lassen, wie du vorgegeben hast, nicht wahr?
    Beschämt durch diesen Moment der Schwäche, wischte er sich das Gesicht ab, zog sein Stilett aus der Bettrolle und wog das vertraute Gewicht des Heftes in seiner Hand. Beka hatte diese Waffe und seinen Dolch seit ihrer Landung in Gedre für ihn verwahrt. Mit dem Daumen prüfte er die Schärfe der Klinge, ehe er die Waffe in die Stiefelscheide gleiten ließ; wieder war ein Verbot gebrochen.
    Hatte er versagt? Nun, dann wäre sein Versagen von unübertroffenem Ausmaß. Er hatte Klia nicht beschützt. Er hatte den Attentäter nicht erwischt. Und nun warf er vermutlich sein Leben fort und brachte Alecs in größte Gefahr, um Phorias wahnsinnigem Angriff zuvorzukommen.
    Selbst wenn sie Erfolg haben sollten, was erwartete sie dann in Skala? Welche Art Königin regierte nun dort? Und wie froh wäre sie tatsächlich, sollte ihre Schwester sicher nach Hause zurückkehren?
    Unter all diesen Fragen lauerte noch eine andere, eine, mit der sich zu beschäftigen er nicht die Absicht hatte, solange er nicht weit von Aurënen entfernt war …
    Niemals
    … eine Frage, die zu meiden er sich den Rest seines Lebens bemühen würde.
    Was, wenn …
    Nein!
    Er schleuderte sein Bündel auf das Bett und sah sich rasch zu einer Bestandsaufnahme der verbliebenen Gegenstände im Raum um. Was immer er hier zurückließ, er würde es vermutlich nie wiedersehen. Gerade, als er gehen wollte, erregte ein sanftes silbriges Glitzern inmitten eines Kleiderhaufens neben dem Bett seine Aufmerksamkeit. Er bückte sich und fischte die Phiole mit Lissik aus den Kleidern hervor, die der Rhui’auros ihm gegeben hatte.
    »Warum soll ich bei all dem Ärger nicht wenigstens ein Andenken behalten«, grollte er leise, und verstaute das Gefäß in seiner Gürteltasche.
     
    Die ersten Lampen wurden bereits entzündet, als er endlich ins Nachbarhaus huschte. Alec, hatte ihm – dem Himmel sei Dank – nicht angeboten, ihn zu begleiten, sondern ihn lediglich kurz in seine Arme geschlossen.
    Sowohl Adzriel als auch Mydri waren zu Hause. Rasch führte er sie in einen kleinen Salon, schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken an das Türblatt.
    »Ich werde Sarikali noch heute Nacht verlassen.«
    Mydri erholte sich als Erste von dieser überraschenden Nachricht. »Das kannst du nicht tun.«
    Adzriel brachte sie mit einem einzigen Blick zum Schweigen, ehe sie ihrem Bruder mit sorgenvoller Miene forschend in die Augen sah. »Tust du das für Klia?«
    »Für sie, für Skala, für Aurënen.«
    »Aber es bedeutet Teth’sag, wenn du die Stadt verlässt«, wandte Mydri ein.
    »Nur für mich«, konterte er. »Ich bin noch immer ein Ausgestoßener, also kann niemand die Bôkthersa für meine Taten verantwortlich machen.«
    »Oh Talí«, sagte Adzriel sanft. »Nach allem, was du hier getan hast, hättest du deinen Namen im Laufe der Zeit sicher zurückerobern können.«
    Da war sie wieder, die Frage, die er für den Rest seines Lebens hatte begraben wollen.
    »Vielleicht, aber der Preis wäre viel zu hoch«, entgegnete er.
    »Dann erkläre uns, warum du gehst«, bat

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