Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
dich schützen und dir Glück bringen soll«, erklärte ihm Mydri.
»Glück in den Schatten«, murmelte er kopfschüttelnd auf Skalanisch.
»Du erinnerst dich doch an Akaien und seine Träume?«, sagte Mydri.
Überrascht sah Seregil sie an. »Das hatte ich tatsächlich vergessen.«
Er schob die Klinge in die Scheide, strich mit den Fingern über das feine Leder, aus dem sie und der lange Gürtel gefertigt waren, und widerstand der Versuchung, sie anzulegen. »Ihr wisst, dass hier von mir erwartet wird, auf das Tragen einer Waffe zu verzichten.«
»So, wie von dir erwartet wird, ein wenig länger zu verweilen«, konterte Adzriel mit belegter Stimme. »Nach allem, was Alec und Beka mir erzählt haben, hatte ich schon befürchtet, du würdest das Schwert nicht annehmen.«
Gedankenverloren schüttelte er den Kopf. Er hatte das Schwert in dem Augenblick erkannt, in dem er es ergriffen hatte. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen, es abzulehnen.
»Ich gebe euch ein Versprechen.« Noch einmal zog er die Waffe aus der Scheide, legte das Heft in Adzriels Hand, die Spitze auf seine Brust und lehnte sich vor, bis sich die Klinge in den Stoff seines Mantels grub. »Bei Aura Elustri und dem Namen, den ich einst trug, gelobe ich, dass diese Klinge niemals im Zorn gegen einen Aurënfaie gezogen werden wird.«
»Dann zügele dein Temperament und schütze dich sorgsam«, riet Adzriel, als sie ihm die Klinge zurückgab. »Was sollen wir sagen, wenn sie herausgefunden haben, dass du fort bist?«
Seregil verzog die Lippen zu einem kläglichen Lächeln. »Sagt ihnen, das Heimweh hätte mich übermannt.«
Er versteckte das Schwert im Stall, ehe er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Hintertreppe hinaufstürmte. Mühsam widerstand er dem Wunsch, Klia noch ein letztes Mal zu sehen, und eilte weiter zu seinem Zimmer, wobei er unterwegs jedem Diener, der ihm begegnete, erzählte, dass er und Alec sich zum Schlafen zurückziehen würden.
Im Schlafzimmer herrschte fast vollkommene Dunkelheit, nur durchbrochen von einer winzigen Lampe. Die Fensterläden zum Balkon waren fest geschlossen. Die Tunika und die Hose, die er zuvor gestohlen hatte, lagen auf dem ordentlich gemachten Bett gleich neben einem Akhendi-Sen’gai.
»Alec?«, rief er leise, während er rasch seine Kleider wechselte.
»Hier drüben. Ich bin gleich fertig«, sagte eine Stimme irgendwo auf der anderen Seite des Bettes.
Dann trat Alec ins Licht, noch immer damit beschäftigt, sein nasses Haar trocken zu reiben. Überrascht stellte Seregil fest, wie unerwartet bewegt er auf den Anblick seines Freundes in aurënfaiischer Kleidung reagierte. Sie stand ihm sehr gut. Plötzlich sah Alec nicht mehr so sehr wie ein Ya’shel, sondern viel mehr wie ein Faie aus. Er war immer schon recht schmächtig und von auffallender Haltung gewesen – das hatte Seregil sofort erkannt, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren – aber irgendwie schien das erst jetzt richtig zur Geltung zu kommen. Als Alec dann auch noch das Handtuch ablegte, wurde der Eindruck noch stärker – Dank einem Sud aus Walnussschalen, den sie früher an diesem Tag gebraut hatten, waren sein blondes Haar und seine Brauen nun so braun wie Seregils.
»Hat es funktioniert?«, fragte Alec und fuhr sich mit einer Hand durch das nasse Haar.
»Und wie es das hat. Ich erkenne dich kaum wieder.«
Alec zog etwas aus seinem Gürtel hervor – einen weiteren Sen’gai. »Ich hoffe, du weißt, wie man die Dinger wickelt. Ich hatte bisher nicht viel Glück bei dem Versuch, und ich habe nicht gewagt, jemanden um Hilfe zu bitten.«
»Und das war auch gut so. Wo hast du den her?« Böses ahnend betastete Seregil den braun-grün gemusterten Stoff. Die falschen Farben zu tragen, galt als Verbrechen.
Alec zuckte die Achseln. »Hing heute Nachmittag auf der Wäscheleine. Ich war nur zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort, und ich war ganz allein. ›Nimm, was Gott gibt, und sei dankbar‹, nicht wahr? Worauf wartest du? Wir müssen aufbrechen.«
Seregil glättete den Stoff mit den Fingern, ehe er den Mittelpunkt auf Alecs Stirn legte und anfing, die lange Stoffbahn um seinen Kopf zu wickeln, bis der Kopfschmuck dem der Akhendi so ähnlich war wie nur möglich. Schließlich verknotete er die Enden über Alecs gezeichnetem Ohr und betrachtete ihn anerkennend. »Unter den Akhendi gibt es so viele Ya’shel, dass du so oder so nicht auffallen dürftest. Aber derzeit würdest du ebenso leicht als reinblütig
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