Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
willen hergekommen, dann hat sich das Risiko unserer Reise bereits bezahlt gemacht. Trotzdem muss ich diese Sache anständig zu Ende bringen. Wir müssen Emiel und die Virésse von dem Verdacht befreien und herausfinden, welche Akhendi etwas mit der Geschichte zu tun haben und warum. Vielleicht können wir sogar Phoria liefern, was sie braucht, ob sie unsere Unterstützung nun will oder nicht.«
»Und du kannst ihnen allen beweisen, dass du nicht der Verbannte bist, der einfach davongelaufen ist«, fügte Alec mit fragendem Blick hinzu.
»Ja, denn mehr werde ich in den Augen meiner Leute nie mehr sein, es sei denn, ich gehe zurück und bringe die Dinge wieder ins Lot.«
»Diese Mal könnten sie dich zum Tode verurteilen.«
Seregil bedachte ihn mit einem schiefen Grinsen. »Wenn sie das tun, werde ich deine Hilfe brauchen, um eine weitere überraschende Flucht zu inszenieren. Aber ich bin derjenige, der eine Wahl treffen muss, und zur Abwechslung entscheide ich mich für die Ehre. Es ist wichtig für mich, dass du mich verstehst, Talí.« Er unterbrach sich und dachte kurz an seinen letzten Traum und all die anderen Visionen, die ihn seit seiner Rückkehr geplagt hatten. »Das hat der Rhui’auros mir schon seit unserer Ankunft mitzuteilen versucht.«
»Ehre oder Atui?«
»Atui«, gab Seregil zu. »Ich werde mich wie ein echter Aurënfaie verhalten, wie auch immer die Konsequenzen aussehen mögen.«
»Du hast dir einen verdammt miesen Zeitpunkt ausgesucht, dir darüber Gedanken zu machen.«
»Ich habe immer darüber nachgedacht«, antwortete Seregil leise.
»Nun gut, wir gehen also zurück. Wie?«
»Wir werden uns in Gedre stellen und zurückbringen lassen.«
»Und wenn Riagil und seine Leute doch mit den Akhendi unter einer Decke stecken?«
»Dann werden wir es früh genug herausfinden.«
Alec blickte auf ihre ineinander geschlungenen Hände herunter und strich mit dem Daumen über Seregils Handrücken. »Und du glaubst wirklich, dass es funktioniert?«
Für einen Augenblick konnte Seregil beinahe die drückende Hitze der Dhima spüren, das Klirren der gläsernen Kugeln hören. »Oh ja, das habe ich im Gefühl.«
47
Korathan
Bei Sonnenuntergang näherten sich von Nordosten vier Kriegsschiffe, kaum mehr als dunkle Silhouetten vor dem fahlgrauen Himmel. Während er zusah, wie sie näherkamen, erkannte Alec das Banner des skalanischen Königshauses am Mast des vordersten Schiffes, das bald darauf längsseits ging. Matrosen warfen mit Gewichten beschwerte Enterleinen zu ihnen herüber.
»Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht«, stellte Seregil fest, der vorsichtig auf der Reling balancierte und versuchte, eines der Taue zu ergreifen.
»Ich noch nie«, murrte Alec, der sich zwingen musste, nicht in den Abgrund zwischen den Schiffen zu schauen. Wenig erfreut folgte er Seregils Beispiel, schnappte sich eine Leine und wickelte das Ende um sein gesundes Bein. Dann stieß er sich tapfer ab und ließ sich vom Schwung des Seiles und den Bewegungen des anderen Schiffes über das Wasser tragen. Als er über dem Deck war, gelang es ihm sogar, auf den Füßen zu landen.
Alec hatte Prinz Korathan lediglich ein paar Male von weitem gesehen, dennoch erkannte er ihn auf Anhieb. Er war so reizlos und blass wie seine Schwester und seine Mutter, und er hatte die gleichen scharfen Augen, den gleichen abschätzigen Blick. Sein schwarzer Umhang und die eng sitzenden Hosen waren im militärischen Stil geschneidert, doch an seiner Brust lag die Amtskette des Vizekönigs.
Ein Zauberer wartete neben dem Prinzen, ein beleibter, langsam kahl werdender Mann, vollkommen unauffällig, abgesehen von dem hochgekrempelten Ärmel seiner kostbaren grünen Robe.
»Wydonis?«, flüsterte Alec.
Seregil nickte.
»Seregil? Was, bei Sakors Feuer, habt Ihr hier verloren?«, verlangte der Prinz in nicht allzu freundlichem Ton zu erfahren.
Möglicherweise, so befürchtete Alec, hatte Seregil den angenehmen Erinnerungen an die Jugend zu viel Bedeutung zugemessen.
Trotz seiner Prellungen und seiner schmutzigen Kleider raffte sich Seregil zu einer höfischen Verbeugung auf. »Wir haben eine schwere Reise auf uns genommen, um mit Euch zu sprechen, Mylord, doch was wir zu sagen haben, ist nur für Eure Ohren bestimmt.«
Korathan bedachte die beiden Männer mit einem mürrischen Blick, ehe er ihnen zuwinkte, ihm zu folgen.
Als sie seine Kabine erreicht hatten, deutete er mit dem Daumen auf Alec und fragte: »Wer ist
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