Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Peitschenhiebe verpassen. So kann man natürlich auch mit Liebhabern verfahren. Andererseits hätte ich nichts dagegen, einen Mann mit deinen diversen Gaben an meiner Seite zu wissen.«
»Soll das heißen, du bittest mich, mit dir zu gehen?«
»Das habe ich bereits getan, damals, bei dem Bankett der Virésse«, erinnerte sie ihn. »Du hast mir nicht geantwortet.«
»Es würde bedeuten, dass ich Aurënen verlassen und dir in deinen Krieg folgen müsste.«
»Ja.«
Er griff nach ihren Händen und umfasste sie mit den seinen. »Als ich zurückkam und sah, dass ihr überfallen worden seid – du weißt, dass ich ein guter Spurensucher bin. Die Spuren, die ich fand, sagten mir, dass ich dich irgendwo auf der Straße tot auffinden würde. Ich musste mich erst einige Minuten mit dem Gedanken vertraut machen, bis ich schließlich die Stelle fand, an der du entkommen bist. Du bist eine erstaunliche Frau, Beka Cavish, und du hast das Glück auf deiner Seite. Ich glaube, du könntest sogar diesen Krieg überleben.«
»Das habe ich vor.«
»Als ich glaubte, du wärest tot, wusste ich, dass ich dich liebe«, sagte er, als wollte er ihr etwas nahe bringen.
»Im Allgemeinen lasse ich mir gern Honig um den Bart schmieren, aber im Augenblick bin ich nicht sicher, was ich davon halten soll.«
Für einen Augenblick schloss er die Augen und drückte ihre Hände fester. »Ach, Talía, wie soll ich es dir nur sagen. Wenn du doch nur wie Alec wärest …«
»Ein Mann?«
Er riss die Augen auf. »Nein, ein Ya’shel. Wir nennen euch Skalaner ›Tírfaie‹. Weißt du, was das bedeutet?«
»Natürlich. Leute, die nur kurz …« Furcht erstickte jedes weitere Wort in ihrer Kehle.
»Ich liebe dich, Talía«, sagte er zärtlich. »Du bist die einzige Frau, die ich je wirklich geliebt habe. Als ich dich an diesem Morgen in Gedre zum ersten Mal sah und dein herrliches Haar im Sonnenschein glänzte …« Er seufzte. »Aber Beziehungen zwischen unseren Rassen sind nicht leicht. Wirst du es ertragen können, alt zu werden, während ich jung bleibe?«
»Du meinst wohl, ob du es kannst.« Beka stieg von seinem Schoß, ging wieder zurück zum Fenster und ergab sich dem düsteren, schmerzlichen Riss, der sich plötzlich durch ihr Herz gegraben hatte. »Ich verstehe, was du meinst. Du willst dich nicht irgendwann mit einer schrumpeligen alten Vettel herumplagen.«
»Hör auf!«
Er hatte sich wieder einmal unbemerkt an sie herangeschlichen. Erschrocken wirbelte sie herum, und er packte sie an den Schultern. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt, nahe genug, dass sie die Tränen in seinen Augen sehen konnte.
»Ich bin bereit, das Risiko einzugehen«, krächzte er. »Aber ich will nie wieder Hass oder Misstrauen in deinen Zügen lesen, wenn du mich ansiehst. Die letzten Tage waren schlimm genug, hin- und hergerissen zwischen deinem Argwohn und der entsetzlichen Erfahrung, dich tot zu glauben. Ich werde dich eines Tages verlieren, aber solange wir zusammen sind, brauche ich dein Vertrauen. Du musst mir glauben, dass ich die Frau, die ich bei unserer ersten Begegnung in deinen Augen gesehen habe, liebe. Jetzt und für alle Zeiten, ganz egal, wie alt du bist. Es hat schon früher Liebesbeziehungen zwischen Aurënfaie und Tír gegeben; es ist möglich, aber nur mit Vertrauen und Geduld.«
Beka sah in seine grün schimmernden Augen und fühlte wieder die Hitze in ihrem Inneren, die sie an jenem Tag in Gedre empfunden hatte. »Dafür will ich gern ein wenig Mühe auf mich nehmen, Talí«, antwortete sie. »Aber wenn du mit mir kommst, dann könntest auch du noch vor dem nächsten Frühjahr tot sein. Oder ich. Bist du bereit, auch dieses Risiko zu tragen?«
»Das bin ich, meine schöne Kriegerin«, entgegnete er voller Ernst, bevor er eine Strähne ihres Haares an seine Lippen führte.
Schön, dachte sie verwundert. Dann, mit einem innerlichen Lächeln, zog sie ihn an sich, wobei sie sich fragte, wann sie angefangen hatte, ihm zu glauben. »Wird deine Khirnari dich gehen lassen?«
»Möglicherweise ist sie froh, mich los zu sein, nach all dem, was sie heute Abend erfahren wird. Andererseits …« Das Lächeln auf seinen Lippen konnte es durchaus mit Seregils strahlendster Miene aufnehmen. »Ich schätze, es ist ein bisschen zu spät, sie noch um Erlaubnis zu bitten, meinst du nicht?«
53
Beschuldigungen
»Wir haben nie damit gerechnet, zurückzukommen. Jetzt wird man uns fragen, warum wir gegangen sind«, sorgte sich
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