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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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sich vorbeugte, um Alec zu umarmen. Auf den fragenden Blick seines Freundes hin gab er ihm das Zeichen für einen nächtlichen Ausflug.
    »Alte Geheimnisse«, murmelte Seregil und küsste ihn zum Abschied.
    »Glück in den Schatten«, erwiderte Alec ebenso leise, und Seregil seufzte erleichtert.
    Als er sich umwandte, um Adzriel zu folgen, zog Thero ihn so unerwartet wie linkisch in seine Arme. »Viel Glück, mein Freund«, flüsterte er und steckte ihm einen in Stoff gewickelten Gegenstand zu. »Vergiss nie, welcher Natur du bist, und verlasse dich darauf.«
    »Das werde ich«, versprach Seregil und verbarg die mysteriöse Gabe sorgfältig in seiner Handfläche.

 
54
Teth’sag
     
     
    Seregil lag auf dem muffigen Bett, starrte in die Finsternis und versuchte, nicht über all die Lügen nachzugrübeln, die er hatte erzählen müssen, um schließlich allein im Zimmer seiner längst vergangenen Kindheit zu landen. Bewusst blind gegenüber dem Leid und den Sorgen in den Gesichtern um ihn herum, hatte er sich nun noch mehr zurückgezogen als in den Tagen bevor er die Stadt verlassen hatte.
    Wie aber könntest du bei deinen Schwestern und deinen Freunden sitzen, wohl wissend, dass du dich schon morgen deinem Urteil wirst stellen müssen und dass Adzriel, deine eigene Schwester, gezwungen sein wird, es zu vollziehen, wie auch immer es ausfällt?
    Da war es besser, allein auf dem Bett zu liegen und sich Rhaish í Arlisandins Gesicht ins Gedächtnis zu rufen, während er die Ereignisse des Tages noch einmal Revue passieren ließ. Seregil hatte sein Leben lang mit Lügnern zu tun gehabt und Betrug höchstpersönlich zu einer Kunst perfektioniert. Er wusste, dass kein ehrlicher Mann jemals so ruhig bleiben würde.
    Vielleicht würde auch der Iia’sidra den Akhendi am Ende durchschauen, doch wie viele Skalaner mussten bis dahin noch sterben, um einer Bitte willen, die so einfach zu erfüllen wäre? Für diese Mission hatte er sein Geburtsrecht geopfert, Klia ihre Hand gegeben und Torsin sein Leben. Was würden sie noch verlieren, während der Iia’sidra Mondzyklus um Mondzyklus mit ermüdenden Debatten dahinziehen ließ?
    Geistesabwesend betastete er die kleine Wachsfigur, die Thero ihm zugesteckt hatte, und erinnerte sich an die Abschiedsworte des Zauberers: Vergiss nie, welcher Natur du bist, und verlasse dich darauf. Sprach Thero inzwischen ebenso in Rätseln wie die Rhui’auros, oder hatte sich Seregil diesen heimlichen Hoffnungsschimmer eingebildet, war er nur seinem eigenen Wunschdenken entsprungen?
    Er hatte Theros Worte durchaus verstanden. Die Wachsfigur war voll von Theros Magie. Nur das Schlüsselwort fehlte, diese Magie freizusetzen – Nysander hatte viele Male für ihn das Gleiche getan, da er selbst nicht imstande war, Magie zu wirken. Die ›Natur‹ von der Thero gesprochen hatte, legte eine Magie nahe, die auf den wahren Eigenschaften, der Essenz eines Wesens beruhte. Diese Magie hatte Seregil schon während seiner Lehrzeit bevorzugt. Sie verwandelte den Ratsuchenden in ein Tier, von dem es hieß, es würde dem Suchenden einen Einblick in das eigene Herz gewähren.
    Nysander hatte diesen Zauber auf Alec angewandt, kurz nachdem sie einander begegnet waren, und der junge Mann hatte sich, keineswegs überraschend für Seregil, in einen prachtvollen Hirsch verwandelt.
    Als Nysander diesen Zauber das erste Mal an Seregil hatte anwenden wollen, war jener kaum älter gewesen als Alec, doch als er sich in dem schlanken, geschmeidigen Leib eines Otters wiederfand, hatte er vor Enttäuschung beinahe geweint. Er hatte gehofft, sich als imposantere Gestalt zu erleben, vielleicht als Wolf oder als großer Raubvogel wie sein Meister selbst, der sich in einen Adler verwandeln konnte. Während er die von Schnurrhaaren gezeichnete Reflexion seiner selbst aber in dem Spiegel betrachtet hatte, den Nysander auf den Boden gelegt hatte, war er sich erbärmlich lächerlich vorgekommen.
    »Ein Otter?«, so hatte er geknurrt, entsetzt über seine heisere, dünne Stimme. »Wozu sollen die gut sein, außer als Mantelkragen?«
    »Intelligente, verspielte Kreaturen, diese Otter. Ich glaube sogar, sie benutzen Werkzeuge«, hatte Nysander daraufhin angemerkt und das Fell auf Seregils glattem Rücken gestreichelt. »Scharfe Zähne und gefährlich für ihre Größe, wenn sie in Bedrängnis geraten.«
    »Ich hätte mir ein anderes Tier ausgesucht«, schnaubte Seregil noch immer äußerst skeptisch.
    »Wie kommst du darauf, dass du eine

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