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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Wahl treffen könntest, mein lieber Junge?« Nysander hatte gelacht und ihn gezwungen, sich all die Stufen bis hinab in einen der Gärten des Orëska-Hauses zu schleppen, wo er in einem Teich die schiere Freude am Wasser wiederentdeckte.
    Seregil schüttelte den Halbschlaf ab, der ihn übermannt hatte, und setzte sich auf. Leise schlich er zur Tür und lauschte den leisen Stimmen seiner Bewacher. Die drei Männer vor der Tür waren entfernte Verwandte. Seine Schwestern und Kheeta hatten sich erboten, ihm Gesellschaft zu leisten, doch er hatte vorgegeben, müde zu sein.
    Ein wenig schmerzte die Tatsache, dass sie ihm geglaubt und ihn sich selbst überlassen hatten.
    Er zog einen Stuhl an die Balkontür und setzte sich. Dann wartete er, wohl wissend, dass es noch zu früh war.
    So saß er da und beobachtete das Haus gegenüber, während der Mond den Weg einer Stunde am Himmel zurücklegte.
    Derweil saß Alec mit Beka im Colos, ehe er schließlich allein zurück in sein Zimmer ging. Seregil konnte seine Silhouette in dem lichten Rechteck der geöffneten Tür sehen, widerstand jedoch der Versuchung, ihm zuzuwinken. Bald darauf herrschte wieder tiefe Finsternis, obwohl Seregil glaubte, noch immer einen dunklen Schemen zu sehen, der wie er selbst Wache hielt.
    Für einen guten Einbrecher reichte es nicht, den Mond zu beobachten. Eine Art sechster Sinn verriet Seregil den richtigen Augenblick, so als würde er in der Stille der Nacht eine besondere Ruhe wahrnehmen oder einem geheimnisvollen Geruch folgen.
    Er schob das Bett zur Seite und suchte hinter der losen Fliese nach dem Enterhaken. Dabei streifte seine Hand die Puppe. Eine Strähne uralten Haares wickelte sich um seinen Finger, und er hörte eine fremdartige, doch süße Melodie.
    »Musik zum Abschied, meine Freunde?«, flüsterte er mit einem Gefühl der Dankbarkeit.
    Er warf den Enterhaken auf das Bett, setzte die Fliese wieder ein und schlüpfte für die nächtliche Arbeit in Kniehosen und eine dunkle Tunika.
    Dann legte er Theros Wachsfigur unter die Decke und flüsterte: »Otter.«
    Unter der Decke nahm eine vertraute Figur Gestalt an, und bald starrte er hinab auf seine eigene Totenmaske. Ihm fehlte die Magie, dem Doppelgänger den Anschein von Leben zu verleihen, also beschränkte er sich darauf, die Figur auf die Seite zu drehen und ihre Glieder in eine einigermaßen natürliche Lage zu bringen. Die Berührung des kalten, widernatürlichen Leibes hieß ihn erschaudern. Es war, als würde er mit seinem eigenen Leichnam spielen.
    Bete einfach, dass niemand kommt, um nach dir zu sehen, dachte er, als er auf den Balkon hinaustrat.
    Gefährlich laut erklang das Klirren von Metall auf Steingut, als er den Enterhaken am Rand des Daches befestigte. Seine verletzte Hand schmerzte beim Aufstieg, aber der Schmerz war nichts im Vergleich zu der Mischung aus Furcht und freudiger Erregung, die ihn erfasste, als er das Dach erreichte. Wieder fühlte er sich wie ein Kind, das sich hinausgeschlichen hatte, um unter dem Sternenhimmel davonzureiten; oder wie die Katze, die des Nachts über die Dächer der besten Häuser Rhíminees huschte. Auf jeden Fall war er nun in einer Weise er selbst, auf die er seit Monaten – möglicherweise seit Jahren – hatte verzichten müssen, und es war ein verdammt gutes Gefühl.
    Seine Füße erinnerten sich an den heimlichen Weg über die kaum genutzte Hintertreppe des Hauses hinab zu einem ganz bestimmten Absatz, der über die Gartenmauer hinausragte.
    Kaum war er auf dem Boden gelandet, trat Alec zu seiner Rechten aus den Schatten hervor. Wortlos machten sie sich gemeinsam auf den Weg, ein doppelter Schatten in tiefer Dunkelheit.
    »Nette Vorstellung, die du dem Iia’sidra geliefert hast«, bemerkte Seregil, als sie die Tupa der Bôkthersa verlassen hatten. »Gut gemacht.«
    Alec schnaubte spöttisch. »Gefällt dir wohl, wenn ich mich wie ein anhänglicher kleiner Strichjunge benehme, was?«
    »War das die Wirkung, die du erzielen wolltest?«
    »Bei Bilairys Eiern, Seregil, du hast mich mit diesem Vorschlag vollkommen überrascht, also habe ich einfach mit dem angefangen, was mir als Erstes in den Sinn gekommen ist.« Unbehaglich zog er die Schultern hoch. »Ich kann Korathan kaum mehr in die Augen sehen.«
    Seregil lachte leise. »Ich glaube nicht, dass du in seinem Ansehen wirklich nennenswert gesunken bist.«
     
    In dieser Nacht war es ruhig in der Tupa der Akhendi. Über Seitenstraßen umgingen sie die wenigen noch geöffneten

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