Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
stolpern und einen gewöhnlichen Zauber benutzt, um den Knoten zu lösen, mit dem das Armband an Torsins Handgelenk befestigt war. Dieses Ablenkungsmanöver reichte, den kleinen Diebstahl zu vertuschen, doch Klia kam Euch in die Quere, als sie Eure Hand ergriff, um Euch aufzuhelfen.«
»Einen Augenblick!«, unterbrach Elos í Orian. »Wenn es sich so verhält, warum hat ihn dann nicht Klias Talisman verraten?«
»Weil keine böse Absicht vorlag, Khirnari. Darin bestand die Magie des Talismans. Es war seine Aufgabe, vor böser Absicht zu warnen. Da Klias Vergiftung jedoch auf einen Unfall zurückzuführen ist, gab es nichts, was die Magie hätte wirksam werden lassen. Vielleicht kann Rhaish den Mord an Torsin rechtfertigen – er war alt, dem Tode nahe. Er war nur ein Tírfaie. Er hat mit Ulan gemeinsame Sache gemacht und hätte Rhaishs einzige Hoffnung für das Überleben seines Clans zerstören können. Aber Klia?«
Er sah den alten Mann mitleidig an. »Ich sah Euer Gesicht, als sie Euch aufgeholfen hat. Hättet Ihr ihr ein Leid zufügen wollen, so hätte Euch der Talisman an Ort und Stelle verraten. Das wusstet Ihr, also habt Ihr ihn dort gelassen, wo er war. Ihr habt niemandem erzählt, was Ihr getan habt, nicht einmal Amali. Angesichts der Sorgen, die Eure Gemahlin um Euretwillen plagten, war das ein weiterer Fehler, Khirnari.
Es war kein Geheimnis, dass Klia am nächsten Tag mit den Haman auf die Jagd gehen wollte. Amali erkannte eine Chance, diejenigen zu treffen, die sie für die hartnäckigsten Gegner der Akhendi hielt, und sie hat sie wahrgenommen. Davon habt Ihr erst erfahren, als das Armband gefunden wurde, nicht wahr? Ihr wolltet die Schuld den Virésse zuschieben, deswegen wurde der Fisch vergiftet. Doch in dem Augenblick, in dem ich Euch den Talisman brachte, habt ihr geahnt, was passiert war und versucht, ein neues Ablenkungsmanöver zu inszenieren.«
Seregil schwieg einen Augenblick, ehe er kopfschüttelnd erneut das Wort ergriff. »Von Anfang an haben die Beweise nicht zusammengepasst. Es gab zu viele Spuren, und sie waren zu einfach zu finden. Aber verraten habt Ihr Euch erst, als Ihr uns habt überfallen lassen.« Erneut hielt er den Sen’gai hoch. »Ihr habt befürchtet, dass wir Euer Geheimnis entdeckt hätten, und wolltet kein Risiko eingehen, was mich zu Nyal zurückbringt.«
Nyal trat wieder vor und umriss die Geschichte, die er bereits in Adzriels Salon erzählt hatte, noch einmal in kurzen Worten, ohne die Akhendi dabei auch nur einmal anzusehen. »Amali konnte mir den Grund für seine düstere Stimmung nicht nennen, und ich ahnte von nichts, bis zu jenem Tag, an dem ich die Stadt verließ, um die drei Flüchtigen zu suchen«, erklärte er. »Wie Seregil hatte auch ich Dinge gesehen, die ich nicht richtig einzuordnen wusste. Ich wollte nur Beka beschützen, die Frau, die ich liebe. Ich habe Seregil und Alec geholfen, den Männern zu entgehen, die ihnen aufgelauert haben. Diese Männer hatten vor, sie zu töten, und das wäre ihnen auch gelungen, wäre ich nicht zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen. Noch immer unwissend, verließ ich die beiden, als es überstanden war. Überdies wollte ich auch Amali schützen, bis ich von ihrem falschen Spiel mit dem Talisman erfuhr. Auch Liebe kennt Grenzen.«
Stille legte sich über den Saal.
»Was habt Ihr zu diesen Vorwürfen zu sagen, Rhaish í Arlisandin?«, fragte Brythir schließlich.
Der Akhendi erhob sich voller Stolz. »Teth’sag wurde nicht erklärt. Ich widerspreche der Anklage.«
»Was habt Ihr dazu zu sagen, Korathan í Malteus?«, fragte der Silmai.
»Ich schließe mich dem an, was hier vorgetragen wurde, und fordere Gerechtigkeit«, sagte der Prinz mürrisch.
»Habt Ihr noch weitere Beweise vorzulegen, Seregil?«
Die Frage klang gefährlich abweisend. »Nein, Ehrwürdiger.«
Brythir schüttelte müde den Kopf. Er sah älter aus als je zuvor. »Dies ist eine ernste Angelegenheit, meine Brüder und Schwestern. Der Iia’sidra wird sich eingehend damit befassen müssen. Rhaish, Ihr werdet Eure Gemahlin rufen lassen, auf dass sie sich zu den hier gehörten Vorwürfen äußert. Bis dahin muss diese Sache …«
»Was?«, unterbrach Korathan aufgebracht, doch Adzriel legte ihm eine Hand auf den Arm und flüsterte eindringlich auf ihn ein.
Alec warf Seregil einen bestürzten Blick zu, aber jener schüttelte den Kopf und ging voran zu ihren Plätzen im Kreise der Skalaner.
Der alte Silmai ergriff erneut das Wort.
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