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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Angenehmerem zuwenden.«
    Der Abend schritt voran, und der Turab floss großzügig, und bald wandte sich die Konversation Seregils vergangenen Großtaten aus Kindertagen zu. Kheeta í Branín gab viele dieser Geschichten zum Besten, und Alec war überrascht, festzustellen, dass der Mann tatsächlich einige Jahre älter war als Seregil. Seregil hatte sich zu Kheeta gesellt, um sich an der Erzählung der einen oder anderen Begebenheit zu beteiligen, und Alec betrachtete die beiden und auch die Umstehenden eingehend, während er wieder einmal versuchte, die lange Lebensspanne der Faie, die auch er teilte, in Gedanken zu erfassen. Er wusste, dass Adzriel und ihr Gemahl bereits ihre zwölfte Dekade erlebten, womit sie unter den Faie in der Blüte ihrer Jugend standen. Der älteste Gast, ein Gedre namens Corim, erlebte bereits sein drittes Jahrhundert und sah doch nicht älter aus als Micum Cavish, jedenfalls auf den ersten Blick.
    Es sind die Augen, dachte Alec. In den Augen der älteren Faie lag eine Ruhe, als hätten ihre Erfahrungen und die Weisheit ihres langen Lebens dort einen Stempel hinterlassen – einen, den Kheeta noch nicht trug. Seregil hingegen hatte alte Augen in einem jungen Gesicht, als hätte er zu früh zu viel gesehen.
    Und das hat er, allein schon in der Zeit, seit ich ihn kenne, stellte Alec in Gedanken fest. Als sie einander begegnet waren, hatte Seregil bereits die Lebensspanne eines Menschen hinter sich, hatte eine menschliche Generation altern und sterben sehen. Er hatte sich bereits einen Namen gemacht, sich einen Ruf erarbeitet, während seine Freunde noch ihre Kindheit durchlebten. Hier, da er ihn unter den Seinen erlebte, erkannte Alec zum ersten Mal, wie jung sein Freund tatsächlich noch war. Was mochten seine Leute in ihm sehen.
    Oder in mir?
    Seregil warf lachend den Kopf zurück, und für einen Augenblick wirkte er so jung und unschuldig wie Kheeta. Es war schön, ihn so zu sehen, doch Alec konnte den düsteren Gedanken nicht vertreiben, dass das der Seregil war, der hätte leben können, wenn er nie nach Skala gekommen wäre.
    »Du bist so ernst wie die Eule Auras und ebenso schweigsam«, stellte Mydri fest, die neben ihm saß und nun seine Hand ergriff.
    »Ich versuche immer noch zu begreifen, dass ich wirklich hier bin«, entgegnete Alec.
    »So wie ich«, sagte sie, und wieder glättete ein unerwartet warmes Lächeln ihre strengen Züge.
    »Kann die Verbannung jemals aufgehoben werden?«, fragte Alec mit leiser Stimme.
    Mydri seufzte. »Manchmal, besonders wenn der Verbannte noch so jung ist. Und dennoch … Eine Petition des Khirnari der Haman wäre notwendig, eine entsprechende Debatte einzuleiten, und das wird schwerlich geschehen. Die Haman sind ehrbare Leute, aber sie sind auf eine Art stolz, die Bitternis gebiert. Der alte Nazien ist da keine Ausnahme. Er grämt sich immer noch um den Verlust seines Enkels, und er ärgert sich über Seregils Rückkehr.«
    »Beim strahlenden Licht, was seid ihr für ein grimmiges Pärchen«, rief Seregil, und Alec erkannte, dass er betrunken war, was bei Seregil äußerst selten vorkam.
    »Sind wir das?«, konterte Mydri mit einem herausfordernden Leuchten in den Augen. »Sag mir, Alec, hat Seregil noch immer diese wunderbare Singstimme?«
    »So wunderbar wie die eines Barden«, erzählte Alec, wobei er Seregil verschmitzt zublinzelte.
    »Sing für uns, Talí!« drängte ihn nun Adzriel, die das Gespräch mit angehört hatte. Auf ihr Zeichen erschien ein Diener mit einem großen, flachen, in Seide gehüllten Gegenstand und legte ihn Seregil in die Hände.
    Mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen entfernte er die Seide, und zum Vorschein kam eine Harfe, deren Holz von langem Gebrauch glatt poliert war.
    »Wir haben sie all die Jahre für dich aufbewahrt«, erzählte ihm Mydri, als er sie an seine Brust lehnte und mit den Fingern über die Saiten strich.
    Er wählte eine schlichte Weise, die seinen Schwestern ein tränenreiches Lächeln entlockte, ehe er zu einer schwierigeren Melodie überging, und seine Finger flogen über die Seiten, während eine Klangfolge auf die andere ertönte. Sogar betrunken und ungeübt spielte er wundervoll.
    Nach einer Weile legte er eine kurze Pause ein, ehe er das Klagelied des Verbannten spielte, dass er gesungen hatte, als er zum ersten Mal Alec von Aurënen erzählte.
     
    Grün ist meiner Liebsten Kleid,
    Der Mond ihr krönendes Geschmeid’,
    Ströme von Silber sie umschmeicheln,
    Zu Himmelsspiegeln sich

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