Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
unvorhersehbaren Folgen führen kann, und das ist offensichtlich in Eurem Fall ganz besonders deutlich zutage getreten.«
»Ich verstehe.« Thero hob seinen Stab wieder auf und steckte ihn hinter seinen Gürtel. Dann dachte er einen Augenblick nach, ehe er den Sand erneut verteilte. Doch dieses Mal zog er die Siegel mit der Hand. Die Muster verharrten eine Weile wenige Handbreit über dem Sand in der Luft, ehe sie zu einer flachen Scheibe silbrigen Lichts von der Größe eines Serviertabletts verschmolzen. Er fügte ein weiteres Licht hinzu, und die Oberfläche schimmerte in allen Regenbogenfarben, ehe sie sich zu einer Miniaturstadt über einem Miniaturhafen formte.
»Wie wunderschön!«, rief Amali begeistert, als sie sich vorbeugte, um sein Werk genauer zu betrachten. »Was für ein Ort ist das?«
»Rhíminee, Mylady«, entgegnete er.
»Diese wuchernde, schwarz-graue Ungeheuerlichkeit von einem Königinnenpalast ist mein Zuhause«, bemerkte Klia trocken. »Wohingegen jenes herrliche weiße Anwesen dort drüben, das mit den funkelnden Kuppeln und Türmen, das Orëska-Haus ist.«
»Ich habe es während meines Aufenthaltes in Rhíminee besucht«, erzählte Adzriel. »Soweit mir bekannt ist, lebten die Zauberer von Skala ursprünglich im ganzen Land verstreut, manche allein, andere in Diensten verschiedener Herrschaftshäuser.«
»Ja, Mylady; das ist das, was wir die Zweite Orëska nennen. Nachdem die alte Hauptstadt, Ero, zerstört wurde, hat Königin Tamír Rhíminee erbauen lassen und eine Allianz mit den größten Zauberern ihrer Tage geschmiedet, die Dritte Orëska. Sie halfen ihr, die Stadt zu bauen, und wirkten noch andere Wunder; im Gegenzug hat sie die Zauberer gefördert und ihnen das Land für das Orëska-Haus zur Verfügung gestellt.«
»Dann ist es wahr, dass in Eurem Land diejenigen, die über Magie verfügen, von den anderen Menschen getrennt werden?«, fragte ein Akhendi.
»Nein, keineswegs«, entgegnete Thero. »Es ist nur so, dass die Magie und ihre Auswirkungen uns anders sein lässt – wir leben ähnlich lange wie Ihr und müssen uns mit Unfruchtbarkeit abfinden. Darum ist es wichtig für uns, eine Zuflucht zu haben, einen Ort, an dem wir leben und unser Wissen mit unseresgleichen teilen können. Ich habe den größten Teil meines Lebens dort verbracht, im Turm meines Meisters, Nysander í Azusthra. Zauberer werden in Skala hoch geachtet, das kann ich Euch guten Gewissens versichern.«
»Aber findet ihr es nicht bedauerlich, von dem natürlichen Fluss des Lebens unter den Euren ausgeschlossen zu sein?«, fragte der Akhendi.
Thero dachte darüber nach und zuckte die Achseln. »Nein, nicht wirklich. Ich habe nie ein anderes Leben gekannt.«
»Rhaish und ich haben als Knaben Eure Stadt besucht«, erzählte Riagil í Molan Klia. »Wir wollten der Hochzeit Corruth í Glamiens mit Eurer Ahnin, Idrilain der Ersten, beiwohnen. Damals besichtigten wir auch Euer Orëska-Haus. Rhaish, erinnerst du dich an diese Zauberin, die uns all diese Tricks vorgeführt hat?«
»Oriena war ihr Name, glaube ich«, entgegnete der Khirnari der Akhendi. »Es war ein wunderschöner Ort mit Gärten, in denen immer Frühling herrschte, und es gab ein riesiges Mosaik, das den Drachen Auras darstellte. Der Palast der Königin war viel düsterer und hatte dicke Mauern wie eine Festung.«
»Womit bewiesen wäre, dass meine Ahnin, die Königin Tamír, mehr Zauberer unter ihren Baumeistern hätte beschäftigen sollen«, meinte Klia lächelnd.
»Ich würde die Dritte Orëska gern einmal sehen«, sagte Amali.
»Sehr gern, Mylady, obgleich es dort nicht mehr so fröhlich zugeht wie früher.« Thero murmelte ein knappes Kommando, und das Bild der Stadt wich dem der Gärten der Orëska. Einige wenige Gestalten in Robe waren zu sehen, doch darüber hinaus sah der Ort sonderbar verlassen aus. Die Szene veränderte sich, und Alec erkannte den Blick auf das zentrale Atrium von dem Balkon vor Nysanders Turmtür aus. Auf Teilen des Mosaiks waren noch immer die Schäden zu sehen, die der Angriff Mardus’ und seiner Totenbeschwörer hinterlassen hatte. Auch diesmal waren weniger Menschen zu sehen, als zu der Zeit, während derer sich Alec dort aufgehalten hatte.
»So sieht es dort heute aus?«, fragte Seregil leise.
»Ja.« Thero veränderte das Bild erneut und zeigte Seregil die Villa an der Radstraße.
»Mein Heim in Skala«, erklärte Seregil nicht ohne eine Spur der Ironie.
Was würden sie sehen, würde Thero ihr wahres
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