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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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und Nachnamen der Vermissten drin», wagte sich der Kollege
aus dem Schams noch weiter vor.
    Sabina nickte ihm anerkennend zu.
    «Maria Melchior», wiederholte sie den Namen der letzten Vermissten
und zählte dann auf: «Kaspar, Melchior, Balthasar.»
    «Die Heiligen Drei Könige», sagte Heini. «Da steht es ja. König .»
    Sabina strich das Wort König aus der
dritten Spalte und wandte sich wieder der ersten Wortserie um Katharina Jakobs
zu.
    « Rabe oder Russland müsste sich dann auf den Vornamen Katharina beziehen», sagte Heini. «Alle
anderen Begriffe sind bei Katharina Jakobs schon durchgestrichen.»
    « Russland », rief Malfazi und gab die
Erklärung gleich dazu, «Katharina die Grosse war eine russische Zarin. Das Wort Russland bezieht sich auf den Vornamen Katharina.»
    Sabina strich das Wort Russland von der
Liste und blickte zufrieden auf das Flipchart. Zum ersten Mal seit sie bei der
Kantonspolizei Graubünden war, griffen die verschiedenen Denkräder ineinander.
Das Teamwork funktionierte. Sie notierte auf dem Flipchart 6.) Vorname
der Vermissten und wandte sich der Wortserie um Iris Grenz zu.
    « Auge steht für den Namen Iris», sagte
Heini.
    «Ja klar, die Iris», sagte Malfazi.
    Blieb der Nachname Grenz. Jeder suchte im Kopf nach einer Lösung.
    «Limes», rief Sabina nach einer Weile wie vom Esel getreten,
«natürlich, der alte Grenzwall der Römer, der Limes steht für Grenz. Man muss nur das ‹e› in Grenze weglassen.»
    Sabina strich Limes auf dem Flipchart. So
blieb schliesslich für jede Frau nur noch ein Wort übrig, das unklar war:
Katharina Jakobs
Iris Grenz
Maria Melchior
Rabe
Bräutigam
Soldat
    «Schieb mal das Laptop rüber», sagte Sabina. Malfazi reichte es
ihr.
    Sabina gab den Begriff Rabe ein und warf
die Ergebnisse mit dem Beamer an die Wand. Sie fanden etliche Firmen mit dem
Namen, dazu Einträge zu Raben und Krähen, eine Internetseite über den Deutschen
John Rabe, mehrere Einträge zum Raben «Abraxas» aus der Kleinen Hexe und ein
Gedicht von Edgar Allan Poe.
    «Ich sehe nichts, woran wir anknüpfen könnten», sagte Heini, nachdem
sie etliche Seiten durchforstet hatten. «Ihr?»
    «Probier es mal mit Übersetzungen», sagte Freisler.
    Sie bekamen die lateinischen, griechischen, französischen,
spanischen, englischen Übersetzungen des Wortes Rabe ,
aber auch das brachte sie nicht weiter. Im nächsten Anlauf klopften sie den
Begriff Bräutigam auf mögliche Anknüpfungspunkte ab,
dann das Wort Soldat . Doch auch hier kamen sie der
Entschlüsselung nicht näher.
    Nach wie vor blieb die Frage: Warum hinterliess der Täter überhaupt
diese Botschaften? Hatten ihn die Worte zu den Frauen geführt? Oder liess hier
ein Verrückter mit Allmachtsphantasien die Polizisten an einem Rätsel
teilhaben, dessen Ausgang er selbst bestimmte?

8
    Den nächsten Tag nutzte Sabina, um sich mit den engsten
Verwandten von Iris Grenz und Maria Melchior zu treffen. In beiden Familien war
die Besorgnis über das Verschwinden der Töchter gross, plausible Erklärungen
dafür gab es nicht.
    Die auffälligste Übereinstimmung im Leben von Iris Grenz, Maria
Melchior und Katharina Jakobs war die Zugehörigkeit zu einer Art
naturchristlicher Gruppe, die offenbar alle drei mit Inbrunst zelebrierten. Wer
genau die rituellen Feiern in der Natur organisierte und wer konkret daran
teilnahm, wussten die Eltern nicht. Auch die Schwester von Maria Melchior
konnte darüber keine weiteren Angaben machen. Tatsache aber war, dass sich die
drei vermissten Frauen kannten.
    Wie sich herausstellte, gab es auch aus der Vergangenheit noch
Übereinstimmungen: Alle drei Frauen waren auf dieselbe Schule gegangen, und sie
waren – wenn auch in unterschiedlichen Jahren – vom selben Pfarrer
konfirmiert worden. Es war der ehemalige Pfarrer für Zillis, Andeer und den
Schamserberg. Der Mann war mittlerweile im Ruhestand. Sabina besorgte sich die
Adresse und fuhr noch am Vormittag hinauf nach Mathon.
    Sie stellte ihren Wagen am Ortseingang ab und ging zu Fuss in
den Dorfkern. Die Sonne beschien den ganzen Schamserberg und brachte einen
Hauch von Frühling in das malerische Dorf. Alte, von der Sonne gegerbte
Holzhäuser mit Schieferdächern standen neben üppig verzierten Steinhäusern und
fensterlosen Holzställen. Eine schiefe Strasse schlängelte sich hinab zur
Kirche, und hinter jeder Ecke hatte das Dorf ein anderes Antlitz.
    Auf dem Platz vor der Kirche plätscherte ein alter Steinbrunnen.
Links davon stand ein uraltes

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