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Schattengott

Schattengott

Titel: Schattengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Paulus
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Blutsbrüderschaft, Saft
     des Lebens, Jesus Christus, Abendmahl
Esprit:  
Geist, Gewitztheit, Intelligenz, Modelabel, Feuer
     machen»
    Auf
ihrer persönlichen Liste unterstrich Sabina die Begriffe, die ihr am
relevantesten erschienen. Dann ging sie zu Heini, um ihre Assoziationen zu
diskutieren. Er war gerade dabei, den erweiterten Freundeskreis der Vermissten
zu ermitteln, liess sich aber gerne auf eine Diskussion ein.
    «Was meinst du denn mit ‹Feuer machen› bei Esprit ?»
    «Na, diese Stäbchen, die man früher immer in den Campingkocher
gelegt hat.»
    Heini lachte unverschämt laut los. «Die heissen Esbit, nicht Esprit. »
    Sabina musste genauso heftig lachen und strich den Begriff auf allen
ausgehängten Listen. Sie brachte auch die Wörterliste des ersten
Vermisstenfalls mit und legte die Papiere auf Heinis Schreibtisch
nebeneinander. Auf beiden unterstrich sie das Wort Stier .
    «Das ist das Sternzeichen», sagte sie. «Katharina Jakobs ist Stier.
Und auch Iris Grenz hat Anfang Mai Geburtstag.»
    «Kann natürlich ein Zufall sein», entgegnete Heini.
    «Meine Intuition sagt mir, dass es kein Zufall ist.»
    «Na dann», gab sich Heini geschlagen. «Hast du nicht auch im Mai
Geburtstag?»
    «Doch.»
    «Dann hoffen wir mal, dass es dich nicht auch noch erwischt.»
    Sabina stockte kurz, dann fuhr sie fort: «Der zweite Begriff, der
sich wiederholt, ist Blut . Darin sehe ich einen
Hinweis auf Blutsverwandtschaft, auf das Blut Jesu oder auf Gewalt.»
    «Das mit der Verwandtschaft kläre ich. Ich glaube eher an das Blut
Jesu. Die zweite Frau ist am Ostersonntag verschwunden. Das ist womöglich kein
Zufall.»
    «Ich sehe es genauso, zumal beide Frauen offenbar einen Bezug zum
christlichen Glauben haben. Bleiben noch zehn Begriffe», sagte Sabina. «Zu
manchen hab ich Ideen, bei anderen tappe ich im Dunkeln.»
    «Lass mal hören.»
    «Bei Katharina Jakobs tauchen die Begriffe Bank und Post auf. Ich glaube, dass es sich um Hinweise
auf den Arbeitsplatz der Vermissten handelt und auf den Ort, an dem sie
verschwunden ist. Sie ist mit dem Postbus gefahren und bei der Post in Zillis
zuletzt gesehen worden.»
    «Finden sich auch bei der zweiten Vermissten solche Hinweise?»,
fragte Heini.
    «Das ist der Grund, warum ich in diese Richtung denke. Bei Iris
Grenz haben wir die Begriffe Esprit und Wasserkirche . Esprit ist …», sie mussten beide lachen,
«…  Esprit ist ein Modelabel. Ich glaube, das ist
ein Hinweis auf die Boutique von Iris Grenz. Im Schaufenster dort hängt ein
Esprit-Logo. Wasserkirche halte ich für einen Hinweis
auf die Kirche in Andeer, die steht direkt über dem Aussenbecken des Mineralbads.
Und genau da ist Iris Grenz zum letzten Mal gesehen worden.»
    Vorausgesetzt, ihre Schlüsse waren richtig, hatte Sabina in beiden
Wortserien Hinweise auf den Arbeitsplatz und auf den Ort entdeckt, an dem die
Frauen verschwunden oder zuletzt gesehen worden waren.
    Heini fand die Erklärung plausibel, aber etwas daran störte ihn.
    «Was haben wir eigentlich davon, wenn wir die Begriffe dekodieren?
Dass es sich bei Iris Grenz um eine Frau handelt, die einen Modeladen hat und
in Andeer verschwunden ist, wissen wir auch so. Warum bekommen wir diese
Hinweise?»
    Heini hatte recht. Selbst wenn sie die restlichen Begriffe sinnvoll
auflösten – wussten sie dann etwas über einen möglichen Täter? Fanden sie
dann die Frauen?
    «Es wird spannend, Leute», platzte Malfazi sichtlich erregt herein.
«Wir haben eine weitere Vermisste. Aus Isola, oben am Splügenpass. Sie heisst
Maria Melchior.»
    Die einundzwanzigjährige Frau arbeitete in einem Gasthof in Isola.
Sie war am Ostersonntag nicht von einem Spaziergang durch die
Cardinello-Schlucht zurückgekommen. Die italienische Polizei hatte die
Vermisstenanzeige zunächst regional behandelt und die Bergwacht eingeschaltet,
da man von einem Bergunfall ausgegangen war. Als nun die Rundmeldung aus Chur
gekommen war, hatten sich die Kollegen sofort gemeldet. Die räumliche Nähe zu
den Fällen aus dem Schams hatte sie hellhörig gemacht. Zudem habe der Inhaber
des Gasthofs, in dem Maria Melchior arbeitete, auf der Terrasse eine Steintafel
mit eingravierten Worten gefunden.
    Sabina nahm die Informationen mit einer gewissen Genugtuung zur
Kenntnis, schämte sich aber sofort dafür. Die dritte Vermisste und das erneute
Auftauchen von Wortbotschaften war eine Bestätigung ihrer Serienthese, was
Malfazi in die Defensive trieb. Trotzdem war das Wichtigste, dass sich

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