SchattenGrab
Vielleicht hatte sie darum immer neue Ideen entwickelt, um die einsamen Tage zu überstehen. Dies konnte er ihr nun nicht ankreiden, als er in den Ruhestand ging, fand er und zog sich gerne in sein Arbeitszimmer zurück, das frei von Bildern und Pflanzen jeder Art und daher ein Ruhepol für seine Seele war. Er hatte es sich verbeten, dass sie auch hier gestalterisch tätig wurde. Da sie seit Neuestem esoterische Musik hörte, hatte ersich angewöhnt, die Tür nicht nur in seiner Abwesenheit geschlossen zu halten. So lebte er in seinem eigenen Haus wie auf einer einsamen Insel, oder – wie Verena immer sagte – auf dem einzig bewohnbaren Planeten in einem menschenfeindlichen Orbit.
Sophie hatte sie nur dann zu den Großeltern gegeben, wenn sie sicher war, dass Friedhelm zu Hause war. Man kann sagen, dass sie ihrer Schwiegermutter in gewisser Weise unrecht tat, denn die Frau war in ihrem Wesen schrill, aber freundlich und unbeschwert. Vielleicht lag die zu starke Bemutterung an Verenas später Schwangerschaft oder daran, dass Sophie nicht ganz so wie andere Kinder war.
Dabei war die Kleine selbst unglaublich gerne bei ihrer Oma, die ihr Mantras vorsang, wenn sie in der Hängematte wie ein Engel schwebte, oder sie Pflanzen aus dem Garten probieren ließ. Manchmal durfte sie auch beim Malen helfen. Dann entstanden die verrücktesten Bilder, die sie mit Farbe, Händen und Füßen, Pinseln, ja selbst mit der Nasenspitze auf die Leinwand brachte. Man kann sagen, dass sich die beiden auf einer entrückten Ebene wunderbar verstanden. Aber genau das war es, was Verena Angst machte, was sie nicht nachvollziehen konnte.
Erst kürzlich hatte sie sich vorgenommen, Sophies Kontakt zur Großmutter einzuschränken. Das Mädchen war mit den bunt verklebten Haaren kaum wiederzuerkennen, als sie es nebenan abholte. Marianne sah nicht besser aus. Sie hätten Kopfschüttelbilder gemacht, erklärte die Oma glücklich. Die Ölfarbe würde nach und nach bei der Haarwäsche wieder rausgehen. Sie könne ja so lange ein Handtuch aufs Kopfkissen legen, erklärte sie.
So viel Geduld hatte Verena nicht. Sie steckte Sophie in die Wanne und hatte nach einigen Fehlversuchen endlich mit Waschpulver den gewünschten Erfolg. Die Farbe war weg, auch wenn ihr Haar etwas strohig aussah.
Es hatte keinen Sinn Sophie zu schimpfen. Die Siebenjährige würde es nicht verstehen. Es hatte ebenso keinen Sinn, an Mariannes Verstand zu appellieren. Also würde Verena die Besuche bei den Großeltern künftig auf ein Minimum reduzieren, auch wenn sie Friedhelm damit verletzte. Doch dazu war es kaum mehr gekommen. Sophie schien sich einfach in Luft aufgelöst zu haben.
An die Nordsee
Es war schon nach Mittag, als Wolf, Moni und Lady Gaga endlich aufbrachen. Wolf hatte sich entschlossen, seine altdeutsche Schäferhündin auf dem Weg im Hundeinternat Antonienwald unterzubringen. Das Zimmer im Landhotel Bauernstuben, in dem Hunde erlaubt waren, war schon ausgebucht. Peter und Nadja kümmerten sich um die Katzen. Er wollte ihnen nicht zu viel aufbürden. Der Dienst war anstrengend genug. Die neue Kollegin musste mit allem vertraut gemacht werden. Da war die Lady in Wagenfeld besser untergebracht.
Es war nicht das erste Mal, dass Wolf das Hundeinternat als Pension in Anspruch nahm. Schon sein Rüde Hasso war gerne hierher gegangen. Für Lady Gaga war es jetzt das dritte Mal, und er hatte den Eindruck, dass sie sich an den Ort erinnerte und gerne mit der Betreuerin mitging. Moni war etwas unglücklich mit dieser Regelung, aber Wolf versicherte ihr, dass es der Lady dort gefallen würde. Jeder gut sozialisierte Hund dürfe sich auf dem Gelände frei bewegen. Die Tiere würden nur nachts in geräumigen Zimmern untergebracht, erklärte er ihr. Ansonsten gäbe es ausreichend Betreuung und sogar einen Schwimmteich.
Wolf kannte die Einrichtung nicht nur als Hundepension. Hier wurden auch Blinden- und Begleithunde ausgebildet.
Moni war nur ein klein wenig beruhigt, denn sie meinte in den Augen der Hündin einen traurigen Blick gesehen zu haben, als sie von der Tierpflegerin abgeholt wurde.
Zur „Teetied“, wie man hier oben sagte, kamen die beiden in Groß-Holum an. Das letzte Zimmer, das Wolf hatte ergattern können, lag zur Straße. Alle anderen waren belegt gewesen.
„Wieso nur ein Doppelzimmer?“, fragte Moni. „Wir hatten doch eine andere Abmachung.“
„Sie hatten kein anderes mehr“, erklärte Wolf zerknirscht, „und ich hatte Angst, du würdest dann
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