SchattenGrab
nicht mitkommen. Es hätte doch auch keinen Sinn gemacht, wenn einer von uns woanders untergekommen wäre.“
„Wir hätten beide woanders zwei Zimmer nehmen können!“, betonte Moni mit Nachdruck.
„Hier ist aber erstens der Fisch so lecker und zweitens müssen wir nicht mehr fahren, wenn wir dazu den passenden Weißwein getrunken haben.“ Wolf lächelte verschmitzt. „Ich bin auch wirklich ganz brav!“
Monis Ärger legte sich ein wenig. Sie verwarf den Gedanken, sich anderweitig Unterkunft zu besorgen.
„Ich nehme dich beim Wort, Wolf. Wir liegen da nur wie Brüderchen und Schwesterchen. Gib mir die Hand drauf!“
Wolf schlug ein. „Großes Indianerehrenwort!“
Das Zimmer war klein, aber ansprechend. Moni wählte die rechte Bettseite und legte ihr eigenes Kissen ins Bett, worüber Hetzer heimlich schmunzelte. Er räumte seinen Koffer aus und legte die Bilder zurecht, die er bei den Befragungen brauchen würde. Es war ein Foto des Mädchens und eines der rosafarbenen Uhr. Vom Letzteren erhoffte er sich mehr Erfolg, weil dieses schreckliche Ding so auffällig war. Wie konnte man seinem Kind nur eine derartige, pinke Scheußlichkeit schenken, fragte er sich. Von seinem Freund Büthe vom LKA wusste er inzwischen, dass sietatsächlich der kleinen Sophie gehört hatte. Büthe hatte den Vater des Mädchens gefragt, aber weiter keine Einzelheiten erwähnt und seine Frage bewusst neutral gehalten.
Ja, sie habe so eine Uhr besessen. Es sei ein billiges Ding vom Jahrmarkt gewesen, aber für seine Tochter das Größte. Die hatte sie Tag und Nacht getragen. Es sei schwer gewesen Sophie zu vermitteln, dass sie sie beim Duschen und Baden ablegen musste. Ohne Geschrei war das niemals möglich gewesen.
Als Thorsten Büthe diese Information an Wolf weitergab, erwähnte er noch, dass das Kind leider nicht ganz gesund war, was jedoch optisch nicht sofort auffiel. Die Entwicklung sei verzögert und Sophie sei daher nicht mit anderen Siebenjährigen vergleichbar.
„Kannst du dir vorstellen, dass jemand ein behindertes Mädchen entführt?“, fragte Wolf aus seinen Gedanken heraus.
„Nein! Ist es denn sicher, dass sie entführt worden ist?“ Moni schaute hinter der Schranktür hervor. „Was für eine Behinderung hat sie denn?“
„Kennst du das Katzenschrei-Syndrom?“
„Nein, nie gehört.“
„Ich musste mich auch erst informieren. Es wird auch CDC-Syndrom genannt. Ursache ist ein Defekt am fünften Chromosom. Wenn die Kinder ganz klein sind, schreien sie wie junge Katzen. Oft wird die Behinderung aber auch gar nicht oder über längere Zeit nicht bemerkt. Es kommt auf den Schweregrad an.“
„Wie äußert sich denn die Behinderung, ich meine vom Schreien abgesehen?“, wollte Moni wissen.
„Das ist sehr unterschiedlich. Ich habe noch nicht die Zeit gehabt, mich eingehend damit zubeschäftigen. Ich weiß nur, dass diese Kinder motorisch und sprachlich in ihrer Entwicklung zurück sind. Wie doll Sophie davon betroffen ist, weiß ich nicht.“
„Völlig unverständlich, dass Menschen gehandicapte Kinder entführen. Gibt es denn Hinweise darauf?“
„Na ja, irgendwo muss sie doch sein“, überlegte Wolf laut, „sie wird kaum weggelaufen sein können, ohne irgendwo aufzufallen.“
„Das Kidnappen könnte sich bei einem behinderten Kind auch schwieriger gestalten“, warf Moni ein.
„Oder einfacher …“, sagte Wolf. „Die verminderte Intelligenz könnte es freundlich auftretenden Entführern auch leicht machen.“
„Wir spekulieren, ohne irgendetwas zu wissen“, sagte Moni und seufzte.
„Das geht dem LKA auch so. Darum sind wir hier, um uns ein bisschen umzuhören“, erklärte Wolf.
„Nur wegen dieser Uhr?“, wollte Moni wissen. „Wie kommt ihr darauf, dass die der Kleinen gehört haben könnte? Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?“
„Hatte ich dir noch nicht von den Knochen erzählt?“
„Nein, was für Knochen? Sag nicht, dass das Mädchen tot ist.“ Moni war blass geworden.
„Wir wissen es nicht. Die Fußknochen eines Kindes sind in unmittelbarer Umgebung der Uhr gefunden worden, aber ob sie von Sophie sind, ist weder bestätigt noch ausgeschlossen worden. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen laufen noch. Thorsten will aber keine Zeit verlieren. Der Vater des Mädchens ist ein Freund von ihm. Er hat also auch ein persönliches Interesse daran, den Fall möglichst schnell zu lösen.“
Monis Stimme klang belegt, als sie sprach: „Ich hoffe, dass diese Knochen nicht
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