SchattenGrab
drüben mitgenommen.“
„Sie heißt Sophie! Kapier das endlich!“, schrie Verena.
„Es ist egal, wie sie heißen, wenn sie Flügel haben“, flüsterte Marianne und begann zu summen.
Justus war überfordert.
„Mutter, gehst du bitte wieder zu Bett. Ich komme gleich.“
Die alte Dame drehte sich um und verschwand mit ihrer Melodie.
„Lass mich jetzt packen“, sagte Verena, „ich halte es hier nicht mehr aus.“
„Gut“, sagte er, „aber eine Frage habe ich noch: Von wem ist die Uhr? Du musst es doch wissen. Hast du sie heimlich für Sophie anfertigen lassen und mir nichts davon gesagt?“
„Nein, aber sie ist von jemandem, der Sophie über alles geliebt hat. Was man von dir nicht behaupten kann.“ Damit ging sie ins Schlafzimmer und knallte die Tür. Justus blieb fassungslos zurück.
Marga Blume
Was für ein verworrener Fall, dachte Marga Blume, und was für spezielle, wenn auch interessante Charaktere. Was gab es für eine Verbindung zwischen dem Tod von Friedhelm Görlitz und dem Verschwinden von Sophie? Sie war sich sicher, dass es eine gab. Es kribbelte geradezu in ihr. Was sah sie nicht? Marga saß an ihrem Schreibtisch und hatte sich entschlossen eine Liste zu machen, wer wie oder warum von einem der beiden Umstände oder gar von beiden profitieren könnte. Sie wollte dem Alter nach vorgehen.
Sarah Görlitz: Sie könnte bei ihrem Vater in der Gunst steigen, wenn sie die einzige Tochter war. Bei den Großeltern war das weniger relevant, denn es gab noch mehr Enkel. Also hatte sie nichts von Friedhelms Tod.
Antonia von Bodenstein: Hier fiel ihr nicht wirklich etwas ein, denn Antonia hatte selbst drei Kinder. Falls Sophie von den Großeltern in Bückeburg vorgezogen worden wäre, hätte sie wegen der Behinderung sogar eher Verständnis dafür gehabt, vermutete Marga. Das wäre kein Grund gewesen, sie loswerden zu wollen. Eine Verbindung zu Friedhelm sah sie nicht.
Von Bodensteins: Das Ärzteehepaar schied für sie auch aus. Warum sollten sie eines ihrer Enkelkinder verschwinden lassen? Es sei denn, sie wollten ihrer Tochter das Leben mit einer Behinderten ersparen und hätten Friedhelm als Helfershelfer benötigt, sie aus demWeg zu schaffen, überlegte sie, aber das schien ihr zu weit aus der Luft gegriffen zu sein.
Marianne Görlitz: Die alte Dame durfte ihre Enkelin nicht mehr alleine um sich haben. Der Kontakt war von der Mutter untersagt worden. Das wusste sie zwar nicht offiziell, könnte es aber irgendwie mitbekommen haben. Marianne könnte sie deshalb an einen Ort gebracht haben, wo sie uneingeschränkt Umgang mit Sophie hätte haben können. Das wäre durchaus denkbar und trotz Mariannes Geisteszustand machbar. Vielleicht war sie auch weniger durcheinander als sie vorgab. Friedhelm hätte ihr auf die Schliche gekommen sein können. Falls Marianne Sophie in Bückeburg versteckt hielt, könnte er ihr heimlich nachspioniert und Marianne damit konfrontiert haben. Das war eine Möglichkeit, über die sie unbedingt mit Thorsten Büthe sprechen musste. Vielleicht war die Uhr auch von Marianne und sie hatte Verena oder Justus die Jahrmarktsgeschichte erzählt. Schlüssig und gar nicht so abwegig, dachte Marga bei sich.
Friedhelm Görlitz: Der Großvater von Sophie erschien Marga wie eine undurchsichtige Figur. Er hatte sich rührend um das behinderte Mädchen gekümmert. Aber vielleicht zu rührend und zu intensiv? In Marga stieg der alte Groll gegen Pädophile hoch. War die Liebe zu dem benachteiligten Mädchen in eine falsche Richtung gegangen? Hatte er ihr die Uhr gekauft wie Schmuck für eine Geliebte? Marga schüttelte sich innerlich. Falls ja, hatte das jemand aus der Familie durchschaut? Justus? Marianne? Verena? Hätte Sophie sich einem von dreien öffnen können und von ihren Erlebnissen mit dem Opa berichtet? Hatte ihn deshalbjemand nach Bückeburg gelockt, um den pädophilen Inzest ein für alle Mal zu beenden?
Magnus und Sabine Görlitz, Bruder und Schwägerin von Justus mit den Kindern Elsa und Enno, schieden für sie aus. Ebenso Verenas und Antonias Bruder Maximilian von Bodenstein. Sie hatten schlüssig darlegen können, dass sie zur Zeit von Sophies Verschwinden überhaupt nicht in Hannover waren. Damit kamen sie für Marga nicht infrage. Für die Psychologin gab es den einen Fall nicht ohne den anderen. Ob sie dennoch etwas mit Friedhelms Tod zu tun hatten, mussten Thorsten Büthe und sein Team klären. Die Befragungen liefen noch.
Marga nahm sich aber etwas anderes
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