SchattenGrab
Geräte vor, aber auch eine Leine mit historischen Holzklammern und eine Wäscheschleuder aus den sechziger Jahren. Mitten im Raum war ein Abfluss.
Bisher alles ziemlich unspektakulär, fand Ingo und ging weiter in den Werkzeugkeller, der ihn ganz besonders faszinierte, da hier seit Generationen immer neue Schraubenzieher, Spachtel, Zangen etc. hinzugekommen waren. Bei einigen Werkzeugen war das Holz so abgegriffen, dass man vermuten konnte, sie seien aus der Zeit von 1890, als das Haus erbaut worden war.
Hier hielt sich Ingo etwas länger auf und bewunderte auch die alte Werkbank und den Schrank, dessen Schubladenteile noch durch verzahnte Bretter zusammengefügt worden waren. Haltbar für die Ewigkeit, dachte Ingo, nicht so ein billiger Schrott, der keine zwei Umzüge aushielt.
Die Vorfahren der Görlitzens waren nicht umgezogen. Es fanden sich Spuren ihrer Vergangenheit in allen Ecken des Kellers.
Im Heizungskeller hatte die Moderne mit einem Gaskessel neuerer Art Einzug gehalten. Der Raum war klein und fensterlos. Als Ingo um die nächste Ecke kam, stutzte er. Hier stimmte etwas nicht. Er holte sich die alten Hauspläne, die er im Safe gefunden hatte. Die Hausgrundfläche bestand aus einem Quadrat. Im Keller schien jedoch ein Bereich zu fehlen. Es kam ihm so vor, als ob ein Raum gänzlich ausgespart war und zwar zwischen Heizungs- und Vorratskeller. Er zeichnete die Kellerräume auf ein Stück Papier und fand seine Vermutung bestätigt. Ein Raum musste zugemauert worden sein, aber warum?
Ingo ging die Kellerstufen hoch und um das Haus herum bis zu der Stelle, wo er den verborgenen Teil vermutete. Tatsächlich war dort unter der Veranda noch ein Fenster, das er von innen nicht gesehen hatte. Es war vollkommen von Spinnweben überzogen und gewährte ihm deshalb keinen Einblick. In Ingo Freund kribbelte es. Er rief Thorsten Büthe an. Sie mussten wissen, was hinter der Mauer im Heizungskeller war.
Nach kurzer Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft erhielt er die Erlaubnis zum Durchbrechen der Wand.
Justus
Als Thorsten Büthe Justus ins Präsidium einbestellen wollte, bat sein Freund ihn, doch zu ihm nach Hause zu kommen. Er hatte noch keine Betreuung für seine Mutter und wollte sie nicht allein lassen. Bei diesem Gepräch erfuhr er ebenfalls, dass Verena nun tatsächlich Hannover verlassen hatte und zu ihrer Schwester nach Bückeburg gereist sei. Das war gegen die Abmachung gewesen, denn er hatte sie gebeten, sich hier vor Ort zur Verfügung zu halten, wenn es etwas Neues wegen Sophie gab. Wahrscheinlich glaubte sie nicht mehr daran, dass ihre Tochter zurückkam. Aber gaben Eltern jemals die Hoffnung auf?
Er würde Wolf bitten müssen, Verena wegen der Vaterschaft zu befragen, oder selbst nach Bückeburgfahren. Bei genauerer Überlegung entschloss er sich zu Ersterem, weil er sicher sein wollte, dass Verena und Justus sich nicht heimlich besprechen konnten. Er hob den Hörer ab.
„Hallo Marga, hier ist Thorsten, ich brauche dich heute noch zur Befragung von Justus. Er hat aber darum gebeten, dass wir zu ihm kommen. Ist das möglich?“
„Ja, das kann ich einrichten. Holst du mich ab?“, bat Marga.
„Kein Problem, sagen wir so in einer halben Stunde?“
„Gut, dann richte ich mir das ein. Bis gleich, Thorsten.“
„Ja, tschüss, ich bin in knapp dreißig Minuten bei dir.“
Er legte auf. Dann wählte er Wolfs Handynummer, erklärte ihm kurz die Situation und bat ihn, mit Verena zu sprechen.
Justus stand schon an der Tür, als Marga und Thorsten eintrafen. Er goss gerade die Buchsbaumkugeln, die rechts und links des Eingangsportals standen.
„Tja, wenn die Frau nicht mehr da ist, muss man alles selbst machen“, sagte er.
„Es hört sich so an, als rechnetest du nicht damit, dass sie wiederkommt“, merkte Thorsten an.
„Tue ich auch nicht, aber ich will es auch nicht.“
„Wieso?“
„Wir sprechen nicht mehr dieselbe Sprache. So einfach ist das, aber nun kommt erst mal rein“, bat Justus Görlitz.
„Wer ist da, mein Junge?“, rief seine Mutter Marianne von hinten.
„Nur der Kommissar mit Begleitung“, antwortete Justus.
„Die nette Dame von neulich?“, wollte Marianne wissen.
„Ja, genau die, aber sie wollen heute mit mir sprechen, Mutter. Bleib du bitte auf deinem Zimmer.“
„Ich möchte aber in den Garten gehen. Marie braucht frische Luft.“
„Dann mach das, Mutter, ich bringe dir später eine Tasse Kaffee raus“, sagte Justus.
„Möchten Sie auch welchen?“,
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