SchattenGrab
Sieht so aus, als wären sie wieder von diesem Kind. Wie hieß die Kleine noch gleich?“
„Sophie“, sagte Thorsten, „aber diese hier sehen viel älter aus, auch das, was das Mädchen anhat. Siehst du, Ingo, das sind doch keine modernen Klamotten.“
„Nicht wirklich“, bestätigte Ingo. „Vielleicht eine Verwandte?“
„Möglich, aber eher auch so aus den sechziger Jahren, schätze ich.“
„Diese Muster auf dem Kleidchen und die Häkeljacke würde man heute keinem Kind mehr antun, außerdem sind die Bilder alle mit weißem Rand und schon etwas vergilbt“, sagte Ingo.
„Wer ist das Kind auf dem Foto wohl, und warum sind die Bilder hier versteckt?“, überlegte Thorsten laut und fand, dass das Mädchen Sophie ähnlich sah.
„Weil vielleicht jemand dessen Existenz verbergen wollte?“, vermutete Ingo.
„Gib mir mal bitte eines von den Bildern. Die Tagebücher können uns bestimmt darüber Aufschluss geben. Es muss doch einen Grund geben, warum auch sie hier unter Verschluss gehalten wurden. Darin muss etwas stehen, was unter keinen Umständen preisgegeben werden sollte“, führte Thorsten die Überlegungen weiter.
„Dann müssen sie mit Hochdruck gelesen werden“, schlug Ingo vor, „aber vielleicht finde ich noch mehr in diesen Regalen.“
Er bückte sich, zog einen weiteren Karton hervor und öffnete ihn.
„Kinderschuhe“, staunte Thorsten, „oder genauer gesagt, Mädchenschuhe.“
„Die könnten hier vorher schon gelagert worden sein, bevor der Raum zugemauert wurde.“ Ingo legteden Deckel wieder auf und zog einen Koffer aus dem Regal.
Darin befanden sich Kleidungsstücke, die ebenfalls einem Mädchen gehört haben mussten. Zum Teil erkannten sie etwas wieder, das sie schon auf den Fotos gesehen hatten. Weiter hinten war ein Bastkorb mit Kasperlepuppen, deren Köpfe aufwendig bemalt waren. Es waren zwölf an der Zahl. Ein König, eine Prinzessin, Kasper, Seppel, Gretel und sogar ein Mond und ein Zauberer. Die Kleider der Puppen wirkten handgenäht. Sie hatten sogar Schlenkerbeine.
„So etwas kannst du heute überhaupt nicht mehr kaufen“, sagte Ingo bewundernd, „sie müssen damals schon ein Vermögen gekostet haben.“
„Ja, aber wer ist dieses Kind? Das Mädchen müsste längst erwachsen sein. Vielleicht können wir mit ihr sprechen“, überlegte Thorsten.
„Ich frage mich“, überlegte Ingo, „wer die Sachen des Mädchens hier im Verborgenen hat aufheben wollen. Das spricht doch eher dafür, dass etwas nicht stimmt.“
Ein Geistesblitz schoss durch Thorsten Büthes Kopf. „Vielleicht ist schon mal ein Kind aus der Familie entführt worden und niemals zurückgekehrt. Man wollte die Sachen nicht wegwerfen, aber sie auch nicht ständig vor Augen haben.“
„Das könnte gut sein“, bestätigte Ingo.
„Ich werde mich mit meinem Team jetzt erst mal an die Sichtung der Tagebücher machen. Wenn du noch etwas Interessantes findest, melde dich bitte sofort. Parallel werde ich Justus und Marianne Görlitz befragen und ihnen das Foto zeigen.“
„Mach das“, sagte Ingo, „wir haben hier genug zu tun. Ich halte dich auf dem Laufenden.“
Thorsten kroch wieder durch das Loch in der Mauer und legte seinen weißen Overall ab. Dann ließ er sich die Tagebücher durchreichen, die Ingo einzeln in eine Papiertüte gesteckt hatte. Er entschied sich, sich selbst sofort damit zu beschäftigen. Sie waren der Schlüssel zum Verstehen des versteckten Raumes, glaubte er.
Toni
Als Toni mit Kindern und Hunden wieder nach Hause kam, waren die Kommissare längst gegangen.
„Macht euch schon mal bettfertig“, rief Toni den Kindern nach oben zu. Anschließend fütterte sie die Hunde und begann Brote für alle zu schmieren. Sie war froh, wenn die Mädchen endlich im Bett waren. Dann kehrte etwas Ruhe ein und sie würde Gelegenheit haben, mit ihrer Schwester sprechen zu können, ohne dass weitere Ohren zuhörten.
„Verena“, sagte sie später, „ich habe mir etwas überlegt. Wir haben hier doch genug Platz, seitdem der Dachboden ausgebaut ist. Liv und Grit schlafen ganz oben, Jane hat ein eigenes Zimmer, ich ein Schlafzimmer, und das Gästezimmer ist im Prinzip ungenutzt. Du könntest auch ganz bei uns einziehen.“
„Meinst du, dass das gut ist?“, fragte Verena. „Wenn man so dicht miteinander lebt, ergeben sich leicht Spannungen. Ich glaube, es ist besser, wenn ich meine eigene Wohnung habe und wir uns sehen, wann wir wollen.“
„Ich möchte dich zur Zeit ungern allein
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