SchattenGrab
dich auf der einen Seite in Ruhe lassen, weil du beim letzten Mal so komisch warst, und auf der anderen Seite ist es für dich doch nicht so toll, wenn du Grit, Liv oder die Lütte im Hintergrund krakeelen hörst. Das wollte ich dir einfach ersparen.“
„Abends werden sie doch wohl im Bett sein.“
„Schon, aber da ist dann Justus zu Hause. Ich wollte euch nicht stören.“
„Ach, lassen wir das“, sagte Verena und wischte sich die Nase. „Ich bin in meinem Kummer sowieso nur lästig.“
„So ein Quatsch, du bist meine Schwester.“
„Schön, dass du dich daran erinnerst.“
„Du bist ungerecht und beziehst immer alles gleich auf dich. Versuch es doch mal so zu sehen, dass die anderen Rücksicht auf dich nehmen wollen.“ Toni setztesich aufrecht hin und sah ihrer Schwester in die Augen. „Und nun erzähl erst mal, was da mit Justus los war.“
Verena atmete auf, dass sie auf ein anderes Thema umschwenken konnte.
„Er hat Sophie nie gewollt. Das weiß ich jetzt.“
„Blödsinn“, antwortete Toni, „wie kommst du denn darauf?“
„Ach, das fing schon damals an, als ich unbedingt schwanger werden wollte. Ihm war das nicht so wichtig. Daran wäre unsere Ehe fast kaputt gegangen. Dann klappte es endlich. Alles entspannte sich. Wir hatten eine schöne Zeit.“
„Das wusste ich gar nicht, dass ihr da untereinander solche Probleme gehabt hattet.“
„Na ja, das trägt man ja auch nicht so nach außen“, gab Verena zu bedenken.
„Schon, aber mir hättest du es doch sagen können.“
„Du hattest doch genug mit dir zu tun. Was soll ich dich auch noch mit meinen Problemen belasten?“
Toni schüttelte den Kopf. „Und ich dachte, hier war immer heile Welt. Alles paletti. Genug Kohle und nur Sonnenschein. Zumindest bis ihr bemerkt habt, dass Sophie behindert ist.“
„Ist sie nicht“, schrie Verena und Toni zuckte bei dem plötzlichen Ausbruch zusammen, „sag das nie wieder! Sie ist anders, ganz einfach anders. Und sie ist viel sensibler als du und Justus zusammen. Ein besonderer Mensch ist sie. Niemand ist wie sie. Sie liebt mich und hängt an mir. Niemals hätte sie mich allein gelassen. Jemand hat sie mir genommen.“
„Mit dem ,Im Stich lassen’ ist das so eine Sache“, sagte Toni kalt, „du weißt nie, ob oder wann es geschieht. Aber irgendwann wird man von jedem imStich gelassen. So ist das eben. Du bist damals auch einfach ausgezogen, und ich hätte dich so sehr gebraucht. Sei’s drum. Jetzt sind wir beide erwachsen.“ Die Jüngere stand auf. „Ich glaube, es ist gut, wenn du dich noch ein bisschen hinlegst. Sophie wird bestimmt wiederkommen. Und mit Justus kannst du doch noch mal reden.“
„Einen Scheißdreck werde ich tun. Wir haben hier genug Zimmer, um uns aus dem Weg zu gehen. Soll er doch seinen Mist selbst machen. Und du brauchst mir auch nichts schönzureden. Ich weiß, dass Sophie wahrscheinlich tot ist, oder glaubst du, ich sei von gestern?“
Toni sah ein, dass es keinen Sinn hatte, mit ihrer Schwester weiterzusprechen. Sie hatte fast den Eindruck, als wolle sie alles fasch verstehen. Es schien so, dass sie dringend intensivere psychologische Hilfe brauchte. Toni wusste, dass die Polizei auch da schon unterstützend tätig war, aber das reichte augenscheinlich nicht aus. Sie beschloss, ihren Schwager auf dem Handy anzurufen, ohne dass Verena etwas davon mitbekam.
„Ach Schwesterchen“, sagte sie und streichelte derÄlteren, die wieder weinte und ins Leere starrte, über die Wange. Sie zuckte zurück. „Wenn du mich brauchst, bin ich da!“, rief Toni ihr im Gehen zu.
Es kam keine Reaktion. Der Satz stand im Raum wie eine Skulptur, deren Sinn sich dem Betrachter nicht erschließen wollte.
Wieder zu Hause
Lady Gaga war ganz aus dem Häuschen, als sie Wolf und Moni wiedersah. Sie konnte sich gar nicht entscheiden, wen sie denn zuerst begrüßen sollte. Schwanzwedelnd schmiegte sie sich abwechselnd an den einen und den anderen und stupste beide mit ihrer Nase an.
„Ist ja gut, mein Mädchen“, sagte Wolf und tätschelte sie. Moni ging in die Hocke. Sie schlang ihre Arme um den Hals des Hundes.
„Nächstes Mal nehmen wir dich mit!“, versprach sie und zwinkerte Wolf zu. „Ich habe mich erkundigt. Da gibt es auch ein Zimmer, in dem Hunde erlaubt sind.“
„So, so“, lachte Wolf, „und das alles hinter meinem Rücken. Ihr seid mir schon so zwei.“
Die Stunde von Wagenfeld bis nach Hause hingen die beiden ihren Gedanken nach. Da war so einiges im
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