Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
sich der Schattengreifer von dem Tuch der alten Frau befreit. Sein Blick fiel auf Simon und die beiden Mädchen, und seine Wut stieg sichtbar an. Seine dunklen Augen verfärbten sich rot. Sein Kopf schien anzuschwellen, und plötzlich zuckte er mit dem Kopf, und sein Körper fuhr mit einemRuck in die Höhe. Die Menschen, die ihn gerade noch am Boden gehalten hatten, wurden auseinandergesprengt und flogen in hohem Bogen durch den Saal.
    Im selben Moment drehte sich der Schattengreifer zur Seite. Er streckte die Klaue aus und ergriff Simons Bein. Mit einer einzigen Handbewegung schleuderte er Neferti und Nin-Si ebenfalls durch die Luft. Dann zückte er seine freie Hand, ergriff Simons anderes Bein und zog ihn mit einem kräftigen Ruck zu sich heran.
    »Du wirst mich nicht hindern!«, raunte er Simon zu, dann packte er den Jungen am Kopf, führte eine Hand in seinen Mund hinein, und unter dem Murmeln einer Formel zog er Nin-Sis Schatten allmählich aus Simon heraus.
     
    Es zischte kurz, als ein winziger Wassertropfen von der Höhlendecke auf Toms Taschenlampe fiel. Erschrocken zuckte Tom zusammen. Er war gerade ganz vertieft gewesen in die Malereien an den Wänden. Simon hatte sie zwar ziemlich genau abgemalt in seinem Block, da musste Tom Herrn Mild recht geben. Doch es war etwas ganz anderes, sie hier vor sich zu sehen. Als Original. Im Taschenlampenlicht. In der Höhle. Allein.
    Tom fröstelte. Und das, obwohl ihm gar nicht kalt war. Er verfluchte sich, dass er ganz allein hierher gerannt war, ohne jemandem Bescheid zu geben. Und vor allem, ohne jemanden mitzunehmen. Jessica wäre bestimmt gern mit ihm hierhergekommen. Dann würde er jetzt nicht so zittern.
    Zum ersten Mal in seinem Leben betrat er diese Höhle. Und sie wirkte keinesfalls einladend. Schon gar nicht im Lichtkegelder Lampe. Tom konnte sich an keinen Augenblick in seinem Leben erinnern, in dem er solche Angst verspürt hatte.
    Vor allem die zehn Kohlestriche gaben ihm zu denken. Was sollten sie darstellen? Jessica hatte ihm nichts darüber erzählt. Hatte sie es vielleicht vergessen? Oder empfand sie es als nicht wichtig?
    Jetzt hier, im Schein der Taschenlampe, war es für Tom das Wichtigste überhaupt. Zu gern hätte er mehr darüber gewusst: Wer hatte hier etwas gekennzeichnet, markiert oder abgezählt. Hatte hier jemand gelebt? Was war wohl in dieser Höhle geschehen in all den Jahren? Wofür standen diese Striche? Möglicherweise hatte es hier bereits Menschenopfer …
    »Mann! Reiß dich zusammen, Tom!«, zischte er sich selbst an. »Denk an Simon!« Und seine eigene Stimme beruhigte ihn etwas. Wie ein kurzes Aufflackern von etwas, das ihm vertraut vorkam in dieser unwirtlichen Umgebung.
    Er richtete den Strahl der Lampe in die Höhle hinein. Alles war genau so, wie Herr Mild das beschrieben hatte. Der Gang endete nur wenige Schritte von den Wandmalereien entfernt.
    Tom wagte sich nur langsam tiefer in die Höhle hinein. Doch er traute sich, so weit zu gehen, dass er mit seinen Händen die hintere Wand berühren konnte.
    Sie war anders als die beiden steinernen Wände zu beiden Seiten der Höhle. Sie war etwas rauer. Der Unterschied war jedoch kaum zu spüren Sie passte nicht recht zu allem anderen um ihn herum.
    Plötzlich bemerkte Tom ein Flimmern knapp über seinem Kopf. Schnell riss er die Taschenlampe hoch. Es waren Staubpartikel, die in der Luft tanzten. Sie drehten sich, umschwirrteneinander. Jedoch nur an einer bestimmten Stelle. Sonst konnte Tom nichts dergleichen in der Luft erkennen.
    Ein Windhauch!, fuhr es ihm in den Sinn.
    Er streckte die Hand nach den Staubkörnchen aus und tatsächlich: Er konnte eine Bewegung in der Luft verspüren. Einen schwachen Luftzug, den er ohne den Tanz der Staubkörnchen niemals bemerkt hätte.
    Der Atem stockte ihm. Konnte das sein? Konnte es sein, dass er gerade eine Entdeckung gemacht hatte, die allen Wissenschaftlern entgangen war, die in den Zwanzigerjahren diese Höhle untersucht hatten?
    Vielleicht waren sie nie in der Nacht hier gewesen. Vielleicht hatten sie keine Taschenlampen eingesetzt, dachte Tom für sich. Oder vielleicht war ihnen diese Höhle tatsächlich nicht wichtig vorgekommen – so wie Herr Mild es berichtet hatte. Und sie hatten sich ausschließlich für die Wandmalerei interessiert.
    Und obwohl Tom nichts lieber getan hätte als einfach zu verschwinden, beschloss er, der Sache nachzugehen. Er eilte aus der Höhle und suchte sich einen dicken Ast. Mit diesem rannte er zurück zu

Weitere Kostenlose Bücher