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Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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anscheinend noch immermehr für sein Brot begeisterte als für Simons Zeichnungen. »Was willst du denn dazu wissen?«
    Tom strich erneut mit der Hand über den Block. »Diese Zeichnungen existieren tatsächlich?«
    Endlich legte der Lehrer sein Brot zur Seite. »Ich dachte, du wüsstest das. Und kommst nur zu mir, um mehr darüber zu erfahren.«
    »Ich sehe das alles zum ersten Mal«, gab Tom zur Antwort.
    Herr Mild griff sich die Teetasse. »Ich sehe schon, wir müssen das im Unterricht wieder behandeln. Es ist doch eine Schande, dass ihr Schüler von heute eure eigene Heimat nicht mehr kennt und …«
    »Was?« Tom sprang so hektisch von seinem Stuhl auf, dass Herr Mild vor Schreck beinahe den Tee verschüttete. »Diese Zeichnungen stammen aus dieser Gegend?«
    Vorsichtshalber setzte der Lehrer die Tasse wieder ab. »Na, gewiss. Und es ist eine Schande, dass ihr jungen Leute nicht einmal mehr die Umgebung, in der ihr lebt …«
    »Wo?«, unterbrach ihn Tom barsch. Und gleichzeitig tat ihm sein harter Tonfall leid. »Wo finde ich diese Zeichnung?«
    Der Lehrer schien Tom nichts übel zu nehmen. Er behielt seine Ruhe bei.
    »Unterhalb unserer Rotkopf-Klippe gibt es eine Höhle«, erklärte er ruhig. »Die Zeichnungen, von denen du eine wirklich gelungene Nachbildung in diesem Block hast, stammen von dort. Auch die Striche daneben befinden sich an der Wand in der Höhle.«
    Tom kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Und wieso weiß niemand etwas davon?«
    Herr Mild winkte ab. »Das alles ist nicht sehr wertvoll oder von besonderer Bedeutung. In den Zwanzigerjahren wurde die Höhle erforscht. Aber sie ist nur sehr klein, und diese Zeichnung da und die wenigen Striche sind alles, was man darin gefunden hat. Keine Skelette, keine prähistorischen Werkzeuge – nichts. Und wegen einer Zeichnung in einer winzigen Höhle macht man keinen Wirbel. Die Höhle ist ja nicht der einzige Ort in dieser Gegend, wo Funde belegt sind. Kennst du die Garmand-Stollen, knapp hundert Kilometer von hier?«
    Tom nickte. »Natürlich. Von denen weiß wirklich jeder.«
    »Siehst du, und deshalb ist unsere kleine Höhle unter dem Rotkopf vergessen worden. Für nur eine einzige Jagdzeichnung interessiert sich kein Mensch, wenn man eine Stunde Autofahrt entfernt über zwanzig solcher Höhlenmalereien bestaunen kann. Und diese Striche da an der Wand, die aussehen, als hätte jemand seine Fackel an der Wand abgestreift …« Er nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Tasse. »Diese Striche hält auch niemand für wichtig. Die Menschheitsgeschichte wird von so ein paar Kohlestrichen wohl nicht beeinflusst werden, oder?«
    Tom schwieg. Wenn alles stimmte, was Simon seiner Mutter erzählt hatte, dann hatten diese Striche einst den Schattengreifer die Zeit verstehen lassen. Damals, vor vielen Jahrtausenden, musste erstmals die Idee zu seinem großen Plan in ihm gereift sein.
    Grübelnd schlug er das Heft zu. Die Striche und die Zeichnung verwiesen also auf die Höhle unter der Rotkopf-Klippe. War Simon vielleicht dort zu finden? Oder wenigstens ein weiterer Hinweis auf ihn und seine Begegnungen mit dem Schattengreifer?
    Herr Mild griff nach einem Messer und begann gerade, ein weiteres Brot zu belegen. »Möchtest du noch etwas wissen?«, fragte er in bester Laune.
    »Ja«, gab Tom zurück. »Besitzen Sie eine starke Taschenlampe?«
     
    Der Schattengreifer zog Nin-Si zu sich heran, noch immer das breite Grinsen im Gesicht.
    Simon sprang auf. Er musste doch etwas tun!
    Auch Caspar hielt es nicht mehr auf seinem Platz. Noch einmal griff er an seinen Gürtel, zog ein weiteres Messer hervor und schleuderte es dieses Mal direkt auf den Magier zu. Der zeigte sich völlig unberührt von diesem Angriff. Er hob nur den rechten Arm, ohne sich dabei umzusehen, und lenkte das Messer um. Es flog hinaus in den Gang.
    Simon wunderte sich, dass der Magier Nin-Si nicht einfach mit sich nahm. Warum wollte er seinen Zauber hier, vor so vielen Zeugen, rückgängig machen? Doch plötzlich wurde Simon alles klar: Der Schattengreifer konnte dieses Ritual nur an diesem Ort ausführen. Nur hier, wo der Zauber um Nin-Si seinen Anfang genommen hatte.
    Die gesamte Aufmerksamkeit des Schattengreifers richtete sich jetzt auf Nin-Si. Die Jugendlichen und die Dienerschaft des verstorbenen Königs mussten mit ansehen, wie der Schattengreifer eine seiner Klauen an Nin-Sis Kinn führte, ihr den Kopf in den Nacken legte und ihren Mund weit öffnete, während seine andere Klaue

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