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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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außer sich. Sie weinte. Zacharias stellte schon die ersten Suchtrupps zusammen. Ihr Vater kam auch runter und schloss sich gleich dem ersten an.«
    Leon riss die Augen auf. »Mein Vater?«
    »Ja, er war auch da. Im Schwarzen Hirschen. Er behielt in dem ganzen Chaos den Überblick. Er hat Sie übrigens gefunden.«
    Die letzten Worte hatte der Geistliche an Nico gerichtet. Doch die achtete gar nicht darauf. Sie starrte auf Leon, der die herausgerissenen Blätter des Gästebuchs mit gerunzelter Stirn durchlas. Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken.
    »Er hat Sie den ganzen Weg nach Siebenlehen getragen. Keiner hat geglaubt, dass Sie das überleben.«
    Leon legte die Blätter weg und starrte ins Leere.
    »Danke«, flüsterte Nico. »Sie haben uns sehr geholfen.«
    Sie steckte die verräterischen Aufzeichnungen wieder ein und erhob sich. Gero Schumacher nahm diesen Aufbruch mit Erleichterung zur Kenntnis. Er war schon an der Garderobe, als Leon immer noch im Sessel saß, sodass Nico versuchte, ihn zum Aufstehen zu bewegen.
    »Du hast das gewusst«, sagte er leise.
    Nico ging in die Hocke. Er wich ihrem Blick aus.
    »Ja, ich habe es gewusst. Nummer zweiundzwanzig. Zweiter Stock. Außer diesem Zimmer war keines dort oben belegt. Leon, das hat nichts zu bedeuten. Du hast doch selbst gesagt, es könnte jeder gewesen sein. Jeder!«
    »Mein Vater. Er war in dem Zimmer, aus dem Fili heulend herausgerannt ist. Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Warum hat er dir nichts gesagt?«
    »Was soll das?«
    Sie schwieg. Was hätte sie auch zu ihrer Verteidigung vorbringen sollen? Dass sie Leon hatte schützen wollen? Dass sie einen Namen verschwiegen hatte, um nicht gleich wieder alles zwischen ihnen zu zerstören? Natürlich war es falsch gewesen. Aber seine Reaktion gab ihr im Nachhinein recht. Seine Familie stand nach wie vor im Fokus des Verdachts. Nicht nur ein versoffener Zach und eine durchgeknallte Trixi. Leons eigener Vater, Lars Urban, war in den Kreis der Verdächtigen hineingetreten. Aber auch alle anderen, die an diesem Abend im Haus waren. Es hatte nichts zu bedeuten. Es durfte einfach nichts bedeuten.
    Unvermittelt lief Leon hinaus. Nico hört, wie der Pfarrer noch versuchte, ihn aufzuhalten – ohne Erfolg. Sie stand auf, und es fiel ihr so schwer, als wäre sie eine uralte Frau.
    »Herr Urban hat seine Jacke nicht mitgenommen.«
    Gero Schumacher stand ratlos in der Tür.
    »Ich bringe sie ihm.«
    Sie nahm sie ihm ab und streifte ihre eigene über.
    »Danke, Herr Pfarrer. Vielen Dank.«
    Sie wollte gehen, aber er legte ihr seine Hand auf den Arm.
    »Lassen Sie es gu sein«, sagte er leise. »Sie müssen Frieden finden. Sie können nicht ein ganzes Dorf unter Generalverdacht stellen.«
    An der Garderobe hing der Mantel des Pfarrers. Und in der Luft lag etwas, ein Hauch, eine Ahnung, ein Duft. Eine eisige Hand griff nach Nicos Herz.
    »Woher wissen Sie von meinem Verdacht?«, fragte sie. »Das Einzige, was ich will, ist, herauszufinden, was damals wirklich passiert ist. Und Kiana wollte wohl dasselbe. Deshalb sind wir hier auch nicht besonders gern gesehen, stimmt’s?
    »Ihre Tante Kiana hat etwas getan, was nicht gut war.«
    »Für wen nicht gut?«, zischte Nico. »Für Sie selbst oder ganz Siebenlehen? Sie wussten davon. Sagen Sie mir die Wahrheit! Wussten Sie es? Was mit Fili im Schwarzen Hirschen geschehen ist?«
    Der Pfarrer sah zu Boden. Am liebsten hätte er sich wohl die Zunge abgebissen. Aber es war nun einmal aus ihm herausgerutscht.
    »Kiana war nicht nur die liebe, gütige Oma, die Apfelkuchen gebacken hat. Sie konnte auch anders sein. Verletzend, hart. Sie hat viel einstecken müssen. Aber sie hat auch viel ausgeteilt.«
    »Und Ihnen ist nie die Idee gekommen, dass daran vielleicht etwas Wahres sein könnte?«
    »Man hätte damals schon offen miteinander reden sollen. Sonst bleibt es bei einem vagen Verdacht und einem unbehaglichen Gefühl. Es vergiftet die Atmosphäre. Keiner traut mehr dem anderen. Es ist furchtbar.«
    Der Seelsorger trat an die Tür und nahm die Klinke in die Hand. Es war offensichtlich, dass er Nico gerne losgeworden wäre. Doch sie blieb wie angewurzelt im Flur stehen.
    »Ich war oft bei ihr«, sagte er schließlich.
    »Sie?«
    »Es ist meine Aufgabe, das Miteinander zu fördern, nicht die Zwietracht.«
    »Haben Sie auch mit Zach gesprochen? Und Trixi?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und?«
    »Es gibt ein Beichtgeheimnis.«
    »Was?« Nico war nahe daran, ihm an die Gurgel zu

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