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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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dich aus dem Hirschen schmeißen. Warum denn?«
    In rührender Unschuld sah er sich um. Nico beunruhigte weniger der Gedanke, was im Schwarzen Hirschen alles geschehen war, als die Tatsache, wie schnell im Dorf jede Kleinigkeit die Runde machte.
    »Sie hat mich nicht rausgeschmissen. Zita hat mir erlaubt, dort zu übernachten, weil hier mit dem Kamin etwas nicht stimmt.«
    »Was denn?«
    Nico stand auf. Sie wollte Maik die Sache mit der Krähe nicht auf die Nase binden. Da könnte sie auch gleich Aushänge an die Bäume heften.
    »Er zieht nicht richtig.«
    »Ja, das macht er öfter. Ich bin manchmal für Kiana aufs Dach und hab außer der Reihe gekehrt. Darf der Schornsteinfeger natürlich nicht wissen.«
    Nico reichte ihm die Hand und half ihm beim Aufstehen. Dabei fragte sie ganz beiläufig: »Du warst diese Woche nicht vielleicht auch am Schornstein?«
    »Nö«, ächzte er. »Schon ewig nicht mehr. Hast du genug Briketts? Es soll richtig richtig kalt werden die Nacht. Und schneien tut es auch schon wieder. Ich glaub nicht, dass morgen die Straßen wieder frei sind.«
    Er folgte Nico zur Leiter und klirrte dabei wie ein wandelnder Klempnerladen. Während sie herunterstieg, hoffte sie inständig, dass Maik mit seiner Wettervorhersage falschlag. In der Küche schaltete sie den Wasserkocher an und holte Teebeutel aus der Vorratskammer. Sie mochte Maik. Vielleicht war er ein bisschen seltsam, aber in ihrer Situation war es Luxus, von Besuchern auch noch zu erwarten, dass sie richtig tickten.
    »Magst du einen Tee?«
    Maik, die Hände in die Vordertaschen seiner Arbeitshose geschoben, sah sich um.
    »Mmh«, murmelte er. »Hat sich nicht viel verändert.«
    »Warst du oft hier? – Setz dich doch.«
    Er zog vorsichtig einen Kuchenstuhl heran und nahm Platz, als ob er befürchten würde, das Ding könnte unter ihm zusammenbrechen. Nico suchte Kanne, Becher, Zucker und Löffel.
    »Nicht oft. Ab und zu. Hab ihr auch manchmal was gebracht, wenn sie was aus Goslar oder Halberstadt gebraucht hat. Durfte aber keiner wissen.«
    »Warum nicht?«
    »War nicht sehr beliebt.«
    »Du weißt warum?«
    Minx kam hereingeschlichen. Typisch Lady stürzte sie sich sofort auf Maik und begann, sich schnurrend an seinem Bein zu reiben.
    »Nö«, sagte er zögernd und streichelte der Katze den Kopf. »War eine Hexe.«
    Nico knallte die Zuckerdose auf den Tisch. Maik zuckte zusammen. Sie wollte nicht, dass er wieder abdriftete in seine seltsame Welt voller toter Vöglein und verschwundener Kinder.
    »Das ist nicht wahr.«
    »Ist nicht wahr«, wiederholte er nickend.
    Mit einem ärgerlichen Blick wandte sie sich wieder der Teezubereitung zu. »Du warst mal verschüttet in einem Stollen, hat Leon mir erzählt.«
    »Leon erzählt Scheiße. Der weiß doch gar nichts. Ist nicht von hier. Mischt sich ein in Dinge, die ihn nichts angehen. Sein Vater will Zach und Trixi den Schwarzen Hirschen wegnehmen.«
    »Soso.« Nico goss kochend heißes Wasser in die Kanne. »Aber der Hirsch ist doch pleite?«
    Maik kratzte sich am Kopf. Derart komplizierte Zusammenhänge schienen ihn zu überfordern. Er schnappte auf, was beim Bäcker oder sonst wo herumgetratscht wurde, und verquirlte alles zu einem Brei von diffusem Unbehagen.
    »Ja, der ist pleite, weil Leons Vater kein Geld gegeben hat. Dabei hat der Hirsch doch mal ihm gehört. Ist aber schon lange her.«
    »Ja, sehr lange.«
    Nico trug die Kanne zum Tisch und stellte einen Becher vor Maik ab.
    »Aber dass du mal oben im Stollen warst, das stimmt.«
    »Im silbernen Grab. Bald ist es wieder so weit.«
    »Was?«
    Sie goss Maik einen Tee ein und schob die Zuckerdose zu ihm. Maik schüttete drei gehäufte Löffel in seinen Becher und rührte eine Ewigkeit um.
    »Dass die Kindlein wieder raus können. Alle zwölf Jahre, sagt man.«
    »Sagt wer?«
    »Kiana?«
    Er blinzelte ihr zu, als ob er ihre Reaktion auf diesen Namen erst einmal abschätzen wollte.
    »Kiana ist tot. Und Fili auch. Warst du oben, als es passiert ist?«
    Maik starrte in seinen Tee, als ob er auf dem Grund des Bechers irgendetwas erkennen wollte.
    »Warst du da?«
    »Ich hab sie gefunden.«
    Nico blieb fast das Herz stehen. Maik hob seinen Becher, pustete und trank einen Schluck. Sein Blick veränderte sich, kehrte sich quasi nach innen. Nico spürte, dass dieser große Junge ihr wieder entglitt. Dass er im Begriff war, in seine düstere Märchenwelt hinabzusteigen.
    »Wie ist das passiert? Warst du bei den Suchtrupps dabei?«
    Er schüttelte

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