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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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den Kopf.
    »Woher wusstest du, wo sie war? Maik? Rede mit mir!«
    »Alle zwölf Jahre fallen die Vöglein tot vom Himmel.«
    Mit einem ärgerlichen Seufzen lehnte sich Nico zurück. Es gab solche Naturphänomene. Wahrscheinlich hatte er das aufgeschnappt und mit Filis Tod in Verbindung gebracht.
    »Dann dürfen die Kindlein aus dem Berg. Ich bin aber nicht mehr zurück zu ihnen, und deshalb bin ich anders als die anderen.«
    Sie beugte sich vor und berührte seine Hand. »Das bist du nicht, Maik. Und wenn, dann bist du besser. Glaub mir.«
    Scheu entwand er sich ihrer Berührung und kippte gleich noch mal zwei Löffel Zucker in seinen Tee.
    »Wie war das, als du Fili gefunden hast? Bist du auf den Berg? Allein?«
    Er rührte und rührte. Endlich flüsterte er: »Ja.«
    »Kanntest du den Stollen?«
    »Ja.«
    »Warst du schon mal dort? War es der, in dem du verloren gegangen bist?«
    »Ja.«
    Sie schenkte sich auch einen Tee ein. »Und … wie hast du sie gefunden?«
    Maik senkte den Kopf. Wo war er gerade? Hier bei ihr in der Küche von Schattengrund oder in einem eiskalten Stollen, in Filis dunklem Grab?
    »Ich war im Schwarzen Hirschen. Ich habe da Zimmer tapeziert. Damals lief der Schwarze Hirsch noch ganz gut. Sie wollten renovieren.«
    Sie nickte. Also hatte Leon recht gehabt: Maik war im Haus gewesen. Und mit ihm wohl noch halb Siebenlehen.
    »Welche Etage war das? Weißt du das noch?«
    »Die zweite, glaube ich.«
    Nico, die gerade ihre Tasse erhoben hatte, stockte mitten in der Bewegung. Etwas Tee schwappte über und kleckste auf die Tischplatte. Vorsichtig setzte sie den Becher ab.
    »Ist dir da etwas aufgefallen? War Fili in einem der Zimmer?«
    »Ja.«
    Er rieb mit den Sohlen seiner schweren Arbeitsstiefel über den Fußboden. Das knirschende Geräusch jagte Nico einen Schauer den Rücken hinunter.
    »Wer war noch da drin?«
    »Leons Vater. War wieder mal da, aber ohne Leon. Wollte damals schon den Hirschen übernehmen, aber Zach war stinksauer. Hat das alles nicht auf die Reihe gekriegt, aber Brüder helfen sich doch, oder? Zach brauchte Geld. Aber Lars, Leons Vater, sagte, so würde das nicht weitergehen. Die hatten sich ziemlich in der Wolle.«
    »Und Fili?«
    »Fili hat den Lars gemocht. Der nannte sie immer die kleine Prinzessin. Aber dieses Mal war Fili sauer auf ihn. Weiß nicht, warum. Hat sich versteckt, wenn er auftauchte.«
    Nico wurde schlecht. Sie war froh, dass Leon bei diesem Gespräch nicht dabei war. Natürlich konnte es für alles eine harmlose Erklärung geben. Noch immer brannten ihre Augen von den vielen Tränen, die sie geweint hatte. War sie wirklich so verbohrt gewesen? Leons Vorwürfe hatten sie tief getroffen. Die Zweifel nagten an ihr. Wer weiß, wem sie alles Unrecht getan hatte …
    Aber dann saß jemand wie Maik vor ihr und bestätigte die Aussage des Schornsteinfegers und die des Pfarrers. Und schon klang alles wieder ganz anders. Lars Urban, der liebe Onkel aus England, und Fili, seine kleine Prinzessin, hatten im Winter vor zwölf Jahren ein Problem miteinander gehabt.
    »Herr Kress, der Schornsteinfeger, hat behauptet, Fili wäre in Lars’ Zimmer gewesen.«
    »Weiß ich nicht. Hab sie erst im Flur gehört. Ein paar Gäste kamen und gingen immer. Einmal stand der Pfarrer bei mir Zimmer, volle Kanne auf der eingekleisterten Tapete. War total zerstreut, weil er mitten in seiner Predigt war und von mir wissen wollte, wie ich mir die Welt in tausend Jahren vorstelle. Weiß ich aber nicht. Und irgendwann hab ich Fili draußen gehört, wie sie irgendwelche Sachen schrie. Ich bin raus und hab den Kress auf der Treppe gesehen, den Schornsteinfeger.«
    Nico stöhnte. Jeder hatte offenbar eine andere Erinnerung an das, was an jenem Abend geschehen war. Kress, der Pfarrer, Maik, irgendwelche Gäste – es war wohl doch mehr los gewesen im zweiten Stock, als jeder Einzelne zugeben konnte oder wollte, und alle mussten sich gegenseitig gesehen haben, waren einander ausgewichen oder hatten sich heimlich beobachtet..
    »Was für Sachen hat Fili denn geschrien? Lass mich in Ruhe oder so was?«
    Maik runzelte die Stirn. »Ja, kann sein. Er soll weggehen. Ich hab’s nicht genau verstanden, weil ich Radio anhatte und grade die alte Tapete runtergeholt hab. Bin erst raus, als sie auf der Treppe war.«
    »Und dann?«
    »Dann war Ruhe. Bis so gegen zehn oder so. Trixi rannte vorbei ins Dachgeschoss, hat Fili gesucht und mich angeschrien, ob ich sie gesehen hätte. Ich bin dann mit runter. Alle

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