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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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so steil bergauf. Das ist nur noch ein kleiner Hügel. Wenn wir oben sind und dem Bergrücken folgen, kommen wir genau an den Eingang zum Stollen.«
    »Du warst oft hier. Stimmt’s?«
    Er stand auf. »Früher. Jetzt nicht mehr.«
    Ohne sich umzusehen, lief er los. Nico musste sich beeilen, um ihm folgen zu können. Bis sie die Flasche verschlossen hatte, war er schon fast in der Dunkelheit zwischen den Bäumen verschwunden. Ein letztes Mal sah sie sich um. Was tat sie hier? War sie wahnsinnig geworden? Mitten in der Nacht mit Maik in den Stollen zu gehen?
    Ob Leon sie … Nein! Es war verboten, an ihn zu denken. Er würde sie nicht vermissen. Er glaubte ihr nicht. Er wird froh sein, wenn er Siebenlehen und mich endlich hinter sich lassen kann, dachte sie.
    Der Stein lag in ihrer Jackentasche. Sie hatte ihn noch schnell eingesteckt. Ihr wurde leichter ums Herz, wenn sie ihn durch den dicken Stoff fühlen konnte. Er war ein letzter Gruß von Kiana, die es ihr ganzes Leben lang nicht akzeptiert hatte, Nicos Trauma zu verschweigen. Sogar über den Tod hinaus.
    Sie würde Kianas drittes Rätsel lösen. Und dann war alles, alles gut.
    Sie folgte Maik in den dunklen Wald.

Vierzig
    Leon keuchte.
    So schnell war er noch nie hinauf zu Schattengrund gerannt. Er wollte Nico sofort die Neuigkeit überbringen.
    Sie würde enttäuscht sein. Aber gab es einen schöneren Grund dafür? Scham brannte in ihm, dass er seinem Vater Fragen gestellt hatte, die ein Sohn noch nicht einmal denken durfte. Und trotzdem hatte er es tun müssen – und war froh, dass er es getan hatte. Die Zweifel waren ausgeräumt. Filis Ängste mochten reale Ursachen gehabt haben. Doch nach zwölf Jahren hatte Nico das Falsche hineininterpretiert und sich damit genauso unbeliebt gemacht wie Kiana. Er hielt ihr zugute, dass sie nur das Beste gewollt hatte. Aber sie war weit über das Ziel hinausgeschossen und hatte eine Menge Porzellan zerschlagen. Manches war zu kitten. Manches nicht. Aber das war ihm egal. In der kurzen Zeit, die er Nico kannte, war etwas Seltsames mit ihm geschehen: Er mochte dieses merkwürdige Mädchen. Sie hatte Mut. Und sie hatte ihn dazu gebracht, ebenfalls mutig zu sein.
    Das Gespräch mit seinem Vater war vielleicht zum ersten Mal eines von Mann zu Mann gewesen. Lars Urban hatte eingestanden, dass er sich bis heute Vorwürfe machte und Fehler begangen hatte. Und er hatte sich nicht geschämt, seinem Sohn davon zu erzählen. Sie waren sich wie Erwachsene begegnet, und etwas daran machte Leon stolz auf sich. Auch dafür war er Nico dankbar. Er brannte darauf, ihr alles zu erzählen und … ja, sie seinem Vater vorzustellen. Es war das erste Mal, dass er das mit einem Mädchen vorhatte. Obwohl sie noch nicht mal miteinander – Leon blieb kurz stehen, schüttelte den Kopf und grinste. Vielleicht ergab sich ja noch etwas heute Nacht. Wenn sich alle bösen Gedanken in Luft aufgelöst hatten. Wenn Nico einsah, dass sie sich ihren Verdacht nur eingebildet hatte. Wenn sie endlich mal wieder lachen würde, was sie unglaublich gut konnte, weil sie dabei die Nase auf eine umwerfende Art kräuselte und ihren Mund so breit machte, dass sie Luigis Pizza ohne Probleme am Stück einfahren könnte …
    Leon lief weiter und hätte die Welt umarmen können. Doch je näher er Schattengrund kam, desto stärker wurde das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Er erreichte das Gartentor. Es stand halb offen. Leon wunderte sich, auch darüber, dass mehrere halb verwehte Fußspuren zum Haus führten. Und es führten auch welche davon weg. Hatte Nico Besuch gehabt? War sie noch mal rausgegangen?
    Er lief den Weg hoch, erreichte die Tür und klopfte. Niemand öffnete. Er versuchte es noch einmal, ohne Erfolg. Schließlich schlug er sich durch die Büsche zum Wohnzimmerfenster durch. Er legte die Hände schützend um die Augen, um den Blick vor dem einfallenden Licht der Straßenlaternen zu bewahren.
    Das Zimmer war leer. Die Tür zum Flur stand halb offen, aber nirgendwo brannte Licht. Er trat zwei Schritte zurück und sah die Fassade hoch.
    »Nico? Nico! Komm raus! Wir müssen reden!«
    Die Fensterläden vor ihrem Schlafzimmer waren verschlossen, aber das musste nichts heißen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er vor einem verlassenen Haus stand.
    Enttäuscht wandte er sich ab. Die Freude war verpufft.
    Auf dem Weg zurück ins Dorf überlegte er, wo Nico sein könnte. So viele Menschen kannte sie nicht in Siebenlehen. Zach, Trixi und Zita fielen für eine kurze

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