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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Pfarrer? Sind die denn so eng?«
    »Er wollte mit Zach reden. Weiß auch nicht, warum. Bald ist ja wieder Filis Todestag. Das macht ihn fertig, ich weiß das. Auch wenn er nicht drüber spricht, aber er wird anders.« Wieder schluchzte die Frau auf. »Ich habe Angst. Da ist was. Ich weiß nicht was. Und es wird immer schlimmer.«
    Sie bückte sich und kam mit einer Flasche Korn wieder hoch. Bevor Leon die Taschenlampe auf den Tisch legen und sie ihr abnehmen konnte, hatte sie auch schon ein paar kräftige Schlucke getrunken.
    »Lass das. Dadurch wird nichts besser.«
    Er wollte nach dem Schnaps greifen, aber nun war Trixi hellwach. Blitzschnell versteckte sie die Flasche hinter ihrem Rücken.
    »Besser? Was soll denn noch besser werden? Schau dich doch um. Wir sind am Ende. Und dein Vater lässt uns betteln und betteln …«
    »Soweit ich weiß, hilft er euch immer wieder aus dem Gröbsten heraus.«
    »Aus dem Gröbsten. Ja. Zieht uns bis zum Kinn aus der Scheiße und lässt uns wieder fallen. Wenn das damals nicht passiert wäre, alles wäre anders gekommen.«
    Leon griff nach der Lampe und knipste sie aus. Im Schatten konnte er Trixis Gesicht nur noch als einen verschwommenen Fleck erkennen. Ihre Stimme aber konnte er nicht ausknipsen. Die blieb und fraß sich in seine Ohren.
    »Filis Tod hat uns kaputt gemacht. Ich hab Zach seitdem nicht mehr anfassen können.«
    Er spürte den Impuls, laut schreiend hinauszurennen. Er wollte das nicht hören. Es war nicht sein Schlachtfeld, er hatte den Krieg nicht begonnen.
    »Mein Mädchen«, schluchzte sie. »Mein kleines Mädchen … Wir haben uns ja halb tot gearbeitet. Ich hatte keine Zeit mehr, für nichts. Und als sie immer stiller wurde – ich hab es nicht bemerkt. Oder ich wollte es nicht bemerken.«
    »Trixi …« Leon wollte ihr sagen, dass ihre Selbstvorwürfe unberechtigt waren. Aber noch viel dringender wollte er weg. Nico war mit Maik unterwegs zum alten Stollen. Mit einem Mann, der Bärchenhausschuhen die Augen ausstach. Vielleicht war er harmlos. Aber vielleicht hatte er auch eine zweite, dunklere Seite. »Warum hat Maik Fili gefunden?«
    »Ich … was? Wie meinst du das?«
    »Warum wusste Maik, wo Fili war? Und sonst keiner?«
    Sie nahm noch einen Schluck. Leon hörte das Gluckern in der Flasche und roch den Alkohol. Schaler Schnaps. Wie er diesen Geruch hasste.
    »Maik …« Trixi suchte nach Worten. »Er war doch immer mit ihr zusammen. Kinder mögen Irre. Und Irre mögen Kinder. Und ich war froh, wenn ich sie mal nicht am Hals hatte.«
    Es kam so kalt und abwertend aus ihrem Mund, dass Leon ein Schauder den Rücken hinunterlief. Etwas Unheimliches breitete sich in ihm aus: der Gedanke, wie allein Fili in diesem Haus gewesen war. Mutterseelenallein.
    »Trixi, wann ging das los, dass Fili sich verändert hat?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    Sie wollte wieder einen Schluck nehmen, aber dieses Mal war Leon schneller. Er schnappte ihr die Flasche weg. Mit einem wütenden Schrei sprang sie auf. Leon konnte sich gerade noch hinter dem Tisch in Sicherheit bringen.
    »Wann ging es los?«
    »Gib mir die Flasche! Du hast kein Recht –«
    »Wie hat sie sich verändert?«
    Trixi war viel zu langsam. Jedes Mal, wenn sie taumelnd einen Schritt in eine Richtung machte, wich Leon in die andere aus.
    »Gib her!«
    »Antworte!«
    Trixi war schlecht in Form. Schnaufend blieb sie stehen. »Im … im Winter. Sie hat geheult und wollte nicht alleine oben in ihrem Zimmer bleiben. Ich sollte immer mitkommen. Aber das ging ja nicht. Also hab ich sie oben eingesperrt. Den Schlüssel hab ich stecken gelassen, damit Zach oder Maik oder wer grade Zeit hatte, ihr was zu Essen bringen konnte.«
    »Du hast Fili … eingesperrt?«
    »Bist du jetzt die Supernanny oder was? Hast du denn einmal hier angepackt, wenn du dich bei uns durchgefressen hast?«
    Leon erinnerte sich an Gebirge von Gläsern, die abgespült, poliert und einsortiert werden mussten. An kiloweise Kartoffeln, die er geschält hatte. An Betten, die er bezogen, an Zimmer, die er geputzt hatte. An Koffer, die zum Auto geschleppt wurden. Die Wochen in Siebenlehen waren Arbeit gewesen, aber er hatte nie ein Wort darüber verloren und würde es jetzt auch nicht tun.
    »Wer war bei ihr?«
    »Weiß ich nicht mehr. Ich weiß es nicht! Gib mir die Flasche!«
    Leon hob den Arm und ließ sie fallen. Sie zersprang mit einem nassen Knall auf den Fliesen. Trixi stieß einen Schrei aus.
    »Meine Flasche!«
    »Wenigstens davon habt ihr ja

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