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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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man nur sehr verharmlosend mit finaler Verzweiflung beschreiben konnte. Alles sah so aus, als wäre ihr Weg hier zu Ende. Wenn Leon nicht schnellstens eine rettende Idee aus dem Hut zauberte. »Es klang so echt, so überzeugend! Und morgen wäre es zu spät gewesen. Ist das nicht irre? Der Berg öffnet sich nur alle zwölf Jahre und dann auch nur für ein paar Stunden. Genau so ist es.« Sie sah ihn ängstlich an. »Genau so ist es.«
    Sie erkannte in Leons Augen, dass er ihr nicht glaubte.
    »Maik ist doch kein Mörder. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf passiert, aber er bringt doch niemanden um! Oder? Sag was! Er würde mich doch nicht einfach hier aussetzen und einschließen! Das kann doch nicht sein!«
    »Hast du dir einmal überlegt, warum ausgerechnet er Fili gefunden hat? Und hast du mal ausgerechnet, wann er losgezogen und wann er damals wiedergekommen ist? Mir fehlen da ein paar Stunden.«
    »Du meinst … Du denkst, er war bei ihr? So lange, bis … Oh nein!«
    Sie rutschte an der Wand entlang auf den Boden. Leon ging in die Knie.
    »Er hat dich eingeschlossen und ist in aller Gemütsruhe wieder zurückgegangen nach Siebenlehen.«
    »Das glaube ich nicht. Ihm muss etwas passiert sein!«
    »Nico, er hat die Augen aus deinen Schuhen gestochen. Ich habe sie in seinem Zimmer gefunden. Er war es, der um Schattengrund geschlichen ist. Und vorne auf dem Felsplateau liegen jede Menge tote Krähen.«
    »Dafür kann er nichts. Die fielen einfach runter.«
    »Einer fehlt der Kopf.«
    Sie rollte zur Seite und würgte. Ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft, weigerte sich aber glücklicherweise, mehr als ein bisschen Galle in die Kehle zu drücken. Sie hustete und spuckte und fuhr sich schließlich mit dem Handrücken über die aufgesprungenen Lippen.
    »Wann kommt Hilfe?«, fragte sie, als sie sich wieder aufgerichtet hatte. Mit einem Mal schien es ihr, als ob sie wieder glasklar denken könnte.
    Leon sah zu Boden. Das Licht der Taschenlampe traf seitlich auf seine Kapuze, sein Gesicht blieb im Dunkeln.
    »Wann kommt Hilfe?«, fragte sie noch einmal, so laut und deutlich, wie es ging. Er hob entschlossen den Kopf.
    »Gar nicht. Ich muss zurück und die Leute alarmieren. Das Handy funktioniert hier oben nicht. Ich denke, in einer Stunde auf halber Strecke habe ich Empfang. Runter nach Siebenlehen dauert es noch mal so lange, wenn ich renne.«
    »Zwei Stunden? Und dann? Kommst du zurück oder was? Heißt das, ich muss hier alleine bleiben? Wie lange?«
    »Wir können auch beide am Gitter festfrieren und hoffen, dass man uns in ein paar Tagen in Blöcken abtransportiert. Nico. Was soll ich denn sonst tun?«
    »Ich will nicht sterben.«
    Sie konnte seine dunklen Augen im Halbschatten erkennen. Sie wollte seinen Blick behalten. Er würde das einzig Helle sein, das sie mit hinunternehmen konnte in die eisige Dunkelheit.
    »Das wirst du nicht. Ich schwöre dir, ich komme wieder.«
    »Das habe ich auch mal getan. Ich habe jemandem geschworen, dass ich wiederkomme. Und ich habe mein Versprechen gebrochen.«
    »Das war etwas anderes.«
    »Nein!«, schrie Nico. »Das ist nichts anderes! Siehst du das denn nicht? Mir wird das Gleiche passieren wie Fili. Dir wird etwas zustoßen. Du wirst Maik in die Arme laufen oder du fällst in eine Schlucht. Du verirrst dich, genau wie ich mich verirrt habe. Ich werde sterben, Leon. Ich weiß es. Das ist die Strafe dafür, dass ich Fili vergessen habe. Ich glaube nicht an Märchen und Legenden. Aber irgendetwas ist hier, und ich will damit nicht alleine bleiben, hörst du? Wir waren damals zu zweit und wir wollten ins silberne Grab. Und nur eine ist dorthin gekommen und die andere hat gekniffen. Kapierst du das nicht? Es ist noch nicht vorbei! Jetzt bin ich an der Reihe.«
    Die letzten Worte gingen unter in einem hilflosen Schluchzen.
    »Nico!« Leon schrie so laut, dass sie zusammenzuckte. »Reiß dich zusammen, verstanden? Dreh hier nicht durch! Komm runter, okay? Komm runter!«
    »Ich bin schon unten!« Nico klammerte sich an dem Eisengitter fest. Er sollte nicht gehen. Er durfte sie nicht alleine lassen. Sie hatte Angst vor diesem Moment, der unausweichlich schien, wenn sie nicht beide hier oben den Tod finden wollten. »Ich bin so weit unten, wie ein Mensch nur sein kann.«
    Sein Daumen streichelte sie, hielt sie fest. Sie waren sich so nah, doch das Gitter trennte sie und würde den einen zurückschicken ins Leben und die andere zurück ins Grab.
    »Hör mir zu.« Sein Gesicht kam

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