Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
bröckelte der Auftrag und Nico konnte das Mauerwerk aus Bruchstein erkennen. Es sah uralt und ein bisschen schief aus. Ihr Herz machte einen winzig kleinen Hüpfer. Ich kenne dich, hieß das wohl. Und es gab einmal eine Zeit, da war auch hinter deinen Fenstern Licht …
    »Alles okay?«
    Sie nickte schnell. Ihr saß ein Kloß im Hals.
    »Hast du Holz?«
    Was sollte denn diese Frage? Sie wollte allein sein, so schnell wie möglich. Schließlich konnte sie schlecht vor seinen Augen einbrechen.
    »Ähm … Holz?«
    »Oder Kohlen. Sonst erfrierst du. Hier oben ist es noch kälter als unten im Dorf.«
    Konnte er sich nicht um seine eigenen Angelegenheiten kümmern? Instinktiv wandte sie sich von der Fassade ab und sah nach links. Neben der Seitenwand war ein aufgeschichteter, wenn auch nicht sehr üppiger Stapel Brennholz zu erkennen, der mehr oder weniger schlecht mit einer Persenning bedeckt war.
    »Da hinten«, sagte sie. »Tante Kiana hatte einen Deal mit den Waldarbeitern. Ich glaube, der eine oder andere Stamm ist ganz unabsichtlich direkt vor ihrer Tür vom Wagen gefallen.«
    Woher wusste sie das? Hatte sie sich diese Geschichte gerade eben ausgedacht oder hatte sie sie erlebt? Egal. Leon lächelte. Es gab seinem schmalen Gesicht einen unerwartet sympathischen Zug. Wahrscheinlich machte er sich wirklich Sorgen um sie. Sie trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Zwei Minuten hier draußen und die Kälte biss sich schon wieder in ihre Beine.
    »Ich komme zurecht. Danke.«
    Sie schulterte die Tasche und hob die verstümmelten Reste des Besens wie zu einem Gruß.
    »Ich kann dir das reparieren«, sagte er schnell. »Wenn ihr Werkzeug habt?«
    »Das schaffe ich schon alleine. Gute Nacht.«
    Sie drehte sich um und stapfte zum Haus. Hoffentlich begriff er jetzt endlich.
    »Ich schaue morgen mal vorbei!«, rief er ihr hinterher.
    »Ja. Super. Bis dann!«
    Sie stieg die Stufen zur Tür hoch, und endlich hörte sie, wie der Motor seines Wagens ansprang. Die Scheinwerfer blendeten auf. Ihr Licht wanderte beim Wenden über Schattengrund. Es sah so aus, als ob jeder Strauch, jeder Baum wirbelnde, lang gezogene Schatten warf, die wie Geister über die Fassade tanzten. Die Lichtkegel glitten weiter, der Jeep rollte die Straße hinunter, und Nico stand allein vor einer verschlossenen Tür.
    Sie ließ Tasche und Besen fallen und trat einen Schritt zurück. Dann tastete sie, als ob sie das schon immer so gemacht hätte, den Türsturz ab. Nichts. Sie zog ihre Handschuhe aus und versuchte es erneut. Ihre Finger wurden taub. Kein Schlüssel. Sie sah sich nach Blumenkübeln um, aber es gab keine. Unter der festgefrorenen Kokosfußmatte lag eine Menge Dreck, aber nichts, mit dem man das Schloss aufbekommen hätte. Großartig. In ihren Träumen war sie immer ohne Hindernisse in ein Haus marschiert, das warm und gemütlich nur auf sie gewartet hatte. Nun fühlte sie sich ausgesetzt und verlassen. Und das Blödeste war: Sie war ganz allein schuld an dieser Misere.
    Umkehren und im Schwarzen Hirschen um Einlass bitten? Das Hotel hatte geschlossen. Sie checkte ihr Handy, hatte aber immer noch keinen Empfang. Wo war sie hier gelandet? Im letzten schwarzen Loch der Telekommunikation? Sie schloss die Augen und atmete tief durch.
    Du kommst nach Schattengrund. Dir ist kalt und du hast Hunger. Du läufst über den Gartenweg aufs Haus zu. Kiana ist nicht da. Was machst du? Nicht nachdenken. Tun. Geh ums Haus, finde den Eingang.
    Sie lief los. Einmal um die Ecke zu der Wand mit den Holzstapeln. Sie schlug die Persenning zurück und schaffte es unter größter Anstrengung, drei festgefrorene Scheite von den anderen zu lösen. Mit dieser Last auf dem Arm stapfte sie weiter zur Rückseite. Es war so dunkel, dass sie nur Schemen auseinanderhalten konnte. Einmal wäre sie fast gestolpert, als sie glaubte, die reglose Gestalt eines Mannes zu erkennen. Doch es war nur ein schlanker Baum, von winterhartem Efeu umrankt. Vor einer niedrigen Tür ließ sie die Scheite in den Schnee fallen und tastete nun hier erneut den ganzen Rahmen und den Sturz ab. Etwas klirrte. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, als sie zwei kleine Schlüssel in ihren steifen Fingern hielt.
    Jemand berührte ihr Bein. Nico schrie auf, die Schlüssel fielen in den Schnee, und ein schwarzer Schatten strich um ihre Knöchel.
    Sie japste nach Luft. »Minx! Hast du mich erschreckt!«
    Die Antwort war ein leises Miauen. Sie ging in die Knie und streckte die Hand nach der Katze aus, die

Weitere Kostenlose Bücher