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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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sofort zu schnurren begann und ihren Kopf an Nicos Knie rieb. Das geschah genauso selbstverständlich, wie Nico der Name des Tieres eingefallen war und wie sie die Schlüssel gefunden hatte. War das nicht seltsam? Sie musste Schattengrund und seine Bewohner einmal sehr gut gekannt haben.
    »Minx, meine Kleine. Wo kommst du denn her?«
    Die Katze zitterte. Sie war mager und ihre bernsteinfarbenen Augen reflektierten das matte Licht des Schnees. Ihr Fell war zottig und nass. Sie musste alt sein, sehr alt. Nico spürte die Knochen unter den struppigen Haaren. Sie nahm es als ein gutes Zeichen, dass sie Minx nach all den Jahren auf Anhieb wiedererkannt hatte. Oder Minx sie? Egal.
    »Jetzt gehen wir erst mal rein und schauen nach, ob Kiana uns noch irgendwas zum Essen übrig gelassen hat. Okay?«
    Sie fand die Schlüssel und stand wieder auf. Sie probierte den ersten – er passte. Langsam drückte sie die verrostete Klinke hinunter. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Knarren, das in ein Seufzen überging: der Willkommensgruß von altem Holz. Sie trat ein in einen schmalen Flur, tastete instinktiv nach rechts oben und begriff, dass sie sich als Kind immer recken musste, um an den Lichtschalter zu kommen. Sie fand ihn da, wo er für normal große Leute angebracht war – in Griffhöhe. Eine Glühbirne flammte auf und beleuchtete den schmalen Flur, von dem linker Hand das Bad und rechts die Küche abgehen musste. Genau dahin wollte sie. Minx war ihr mit einem Maunzen gefolgt und rannte nun vor ihr ins Haus. Nico sammelte die Holzscheite ein, schloss die Tür hinter sich und ging in die Küche.
    Wenn es nicht so kalt gewesen wäre – man hätte glauben können, Kiana wäre nur mal kurz aufgestanden und nach draußen gegangen. Der alte schmiedeeiserne Herd mit seinen Klappen und der tiefschwarzen Eisenplatte stand immer noch an seinem Platz. Darüber hingen Kupferpfannen und Töpfe, schwere Schöpfkellen und alte Küchensiebe. Die Anrichte mit dem offenen Regal war vor langer Zeit einmal weiß gestrichen worden. In ihr standen Teller und Tassen aus cremefarbener schwerer Keramik.
    Nico legte die Scheite auf den Küchentisch. Auch er war alt und sah so aus, als ob Generationen vor ihr schon daran gesessen und ihre Holzlöffel in ihre Suppen getunkt hätten. Sie machte Licht und öffnete die Tür zur Speisekammer. Ihre schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich nicht. Einige staubige Konserven und mehrere Schraubverschlussgläser mit undefinierbarem Inhalt standen noch im Regal. Sie holte eine Büchse Erbsen und Möhren heraus und stellte sie auf den Tisch. Minx kam von ihrem Streifzug durch das Haus zurück und sah Nico erwartungsvoll an.
    »Könnte sein, dass du Vegetarier wirst.«
    Die Katze trug diese Ankündigung mit Fassung. Noch.
    Nico stöberte in dem kleinen Schrank unter der Spüle und fand tatsächlich eine halbe Packung Haferflocken. Sie schienen genießbar zu sein. Dafür kam kein Wasser aus dem Hahn. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ihr dämmerte, dass die Leitungen wohl eingefroren waren. Feuer. Sie musste Feuer machen.
    In einem Korb neben der Anrichte lagen alte Zeitungen. Sie schnappte sich die oberste und begann, die Seiten zu festen, kleinen Kugeln zusammenzuknüllen. Mit einem Schürhaken hob sie den kleinsten der vier eisernen Herdringe und warf ihre Kunstwerke in die Kochmulde. Sie sah sich um. Dann ging sie zum Küchentisch und zog die Schublade auf. Mit einem triumphierenden Grinsen holte sie eine Packung Grillanzünder und ein Streichholzbriefchen heraus. Es musste ihr Instinkt sein, der sie anleitete, genau das Richtige an genau den richtigen Stellen zu suchen. Sie warf eine Handvoll der kleinen weißen Würfel auf die Papierknäuel und zündete den letzten mit einem Streichholz an. Die zuckende bläuliche Flamme versetzte sie in einen wahren Freudenrausch. Feuer! Ich habe Feuer gemacht!
    Minx sprang auf den Küchentisch und unterzog die Konservenbüchsen einer eingehenden Untersuchung. Nico nahm den kleinsten Holzscheit und stopfte ihn in die Kochmulde. Fast die Hälfte von ihm ragte noch heraus. Die Flammen der Grillanzünder züngelten an ihm herum. Ein wenig Dampf stieg hoch. Misstrauisch beobachtete Nico den weiteren Verlauf ihres Experiments. Wenn das Ding wirklich zu brennen anfing, hatte sie hier einen hochkant stehenden Flammenwerfer in der Küche. Aber die Sorge war unbegründet. Das Holz war zu feucht. Das Papier flackerte zwar gefährlich auf, doch die Flammen stiegen kaum über

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