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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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sie, dass er sie meinte. Sie sammelte die Blätter ein. Als sie an ihm vorbeiging, vermied er es, sie anzusehen.
    »Ich muss darüber nachdenken«, sagte er. »Tut mir leid.«
    »Das glaubst du doch selber nicht.«
    »Ich brauche Zeit, ja? Geht das? Vielleicht mal nachdenken, bevor man mit Verdächtigungen um sich schmeißt?«
    »Meine Rede«, zischte sie. »Du weißt ja, wo du mich findest.«
    Auf dem Weg hinunter in ihr Zimmer rechnete sie damit, dass er nach ihr rufen würde. Dass er sie zurückhalten würde oder ihr nachkäme, aber jede Stufe und jeder Schritt schienen sie weiter voneinander zu entfernen.

Neunundzwanzig
    Wütend schleuderte Nico die Stiefel von den Füßen und warf sich auf ihr zerwühltes Bett. Leon glaubte ihr nicht. Er blockte ab. Seine Familie. Sein Dorf. Seine Leute. Es war doch alles sonnenklar. Wie konnte er da mit solchen Ausreden kommen? Es war bitter einzusehen, dass er auf der Seite derer stand, die an der Wahrheit kein Interesse hatten und auf keinen Fall etwas an ihrer Sicht der Dinge verändern wollten. Schuld an allem, was geschehen war, waren Nico und Kiana. Punkt.
    Tränen schossen in ihre Augen, Tränen der Wut und der Enttäuschung. Sie konnte hören, wie jemand die Treppe herunterkam. Für einen heißen kurzen Moment der Hoffnung glaubte sie, Leon hätte es sich vielleicht noch anders überlegt. Aber die Schritte machten nicht Halt. Im Schwarzen Hirschen war sie genauso persona non grata wie in ganz Siebenlehen.
    Die kleine Glocke am Kirchturm schlug acht. Nico erinnerte sich an die Bratwurst und dass sie nur ein magerer Ersatz für die versprochene Pizza gewesen war. Irgendwo in diesem Kaff gab es etwas zu essen. Vielleicht musste sie auch einfach mal unter Leute. Andere Gesichter sehen. Nicht alle hier hassten sie. Bei der Prozession hatte sie auch das eine oder andere aufmunternde Lächeln gesehen.
    Sie faltete die Blätter zusammen und verstaute sie beim Anziehen in der Innentasche ihrer Jacke. Dann schlüpfte in ihre Stiefel, verließ ihr Zimmer und ließ den Schlüssel von außen stecken. Keine zehn Pferde würden sie dazu bringen, auch nur eine Nacht unter dem Dach dieses Hauses zu verbringen.
    Sie erreichte das Erdgeschoss und spähte in die dunkle Gaststube. Ihre Erwartung, Leon dort oder in der Küche zu sehen, wurde enttäuscht. Aus Zitas Zimmer drang die monotone Stimme des Fernsehnachrichtensprechers. Zachs und Trixis Räume mussten am Ende des abgewinkelten Flurs liegen – eine Ecke, in der sie bis jetzt noch nicht gewesen war und in die vorzudringen sie auch nicht die geringste Lust hatte.
    Sie schlich weiter und da sah sie es. Das Telefonkabel steckte wieder in seiner Buchse im Flur. Hunger und die Sehnsucht nach einer vertrauten Stimme lieferten sich einen schweren Kampf in ihrer Brust. Der mächtigere Trieb gewann – sie betrat die Gaststube und schlich zum Tresen. Ihre Nervosität versuchte sie mit dem Gedanken an Zitas ausdrücklich erteiltes Gastrecht zu beruhigen. Trotzdem spürte sie, dass ihre Hand zitterte, als sie den Hörer abhob.
    Valerie meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
    »Ich bin’s«, flüsterte Nico. Sie hatte keine Lust, dass das ganze Haus ihr Telefonat mitbekam.
    »Nico! Bin ich froh, dich zu hören. Wie geht es dir? Steckst du immer noch in der Wallachei?«
    »Wir sind eingeschneit, ich komme hier nicht weg.«
    »Oh, nicht gut. Wie weit bist du mit deinen Aufgaben?«
    Nico atmete tief durch. »Sie sind schwieriger, als ich gedacht habe. Es ist kein witziger Zeitvertreib. Jedes einzelne für sich ist ein Rätsel, das mit etwas aus meiner Vergangenheit zu tun hat.«
    »Krass. Was denn?«
    Nico nahm das Telefon und verkroch sich wieder unter den Tresen. Sie begann mit den Spuren im Schnee und dem Beinahe-Überfall am Abend ihrer Ankunft und sie endete mit ihrem Fund in Filis Zimmer. Valerie hörte zu, unterbrach nur an einigen Stellen, wenn sie etwas nicht ganz verstanden hatte, und schien von Nicos Geschichte völlig in den Bann gezogen.
    »Das ist ja der Hammer«, sagte sie, als Nico an dem Punkt angelangt war, an dem sie sich gerade befand: unter dem Tresen im Schankraum des Schwarzen Hirschen, ständig in der Angst, erwischt zu werden.
    »Ich fass es nicht. Und dieser Leon hat dir so was von geholfen und macht jetzt die Biege?«
    Nico schluckte. »Ja. Leider. In dem Moment, in dem es nicht um die anderen, sondern die eigene Combo geht, wird es wohl schwierig.«
    »Überleg mal, du müsstest deinen eigenen Vater oder Patenonkel

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