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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Tage vor Filis Tod, als sie ein letztes Mal im Schwarzen Hirschen gewesen war.
    »Ist gut jetzt. Trixi. Komm mit. Du kannst nicht hier unten bleiben. Es ist zu kalt. Du zitterst ja.«
    Trixi ließ sich widerspruchslos von Leon durch den Keller schleifen. Nico half dabei, sie die Treppe hochzuschieben. Im Gastraum gelang es ihnen nur mit Mühe, sie an den Tischen vorbei zum Ausgang zu bugsieren. Im Flur hob Leon, die halb ohnmächtige Trixi im Arm, die Hand. Bis hierhin und nicht weiter für dich, wollte er damit sagen. Nico blieb stehen.
    »Ich mache das.« Seine Stimme war leise, aber sie klang dennoch wie ein Befehl. »Bleib hier. Ich komme gleich.«
    »Es ist besser, wenn ich gehe.«
    »Nein. Wir müssen etwas klären. Ein für alle Mal. Dann kannst du von mir aus tun, was du willst. Glaub nicht, dass du davonrennen kannst. Das funktioniert nicht mehr. Nicht heute Nacht.«
    Er zerrte Trixi, die ausbüxen wollte, unsanft den Gang hinunter. Mit brennenden Augen starrte Nico ihm hinterher. Davonrennen funktionierte nicht mehr. Diese Nacht, dachte sie. Ich muss nur diese Nacht überleben.
    Die Tür gegenüber des Gastraums öffnete sich. Zitas Raubvogelkopf schob sich durch den Spalt. Ihr Blick schien Nico zu durchbohren.
    »Guten Abend«, sagte Nico. »Trixi hat einen im Tee.«
    Ohne ein Wort zu sagen, knallte Zita die Tür wieder zu.

Zweiunddreißig
    Es verging gut eine Viertelstunde, bis Leon wiederkam. Nico vertrieb sich die Zeit, indem sie um das Telefon herumschlich und in Versuchung kam, jemanden anzurufen, der sie mochte und weder umbringen noch zu klärenden Gesprächen zwingen wollte. Trixis Ausbruch im Keller hatte ihr zugesetzt. Am liebsten hätte sie den Schwarzen Hirschen auf der Stelle verlassen, aber sie wusste, dass sie sich Leons Vorwürfen stellen musste.
    Ob sie ihm sagen sollte, dass sie die Gästebücher gefunden hatte? Sie beschloss, es darauf ankommen zu lassen, wie er sich ihr gegenüber verhalten würde. Sie saßen nicht mehr im gleichen Boot. Er hatte ihr geholfen, sie beschützt und ihr alle Türen geöffnet. Bis auf eine: die, die zu seiner Familie führte. Genau an dieser Stelle hatten sich ihre Wege getrennt. Das war bitter einzusehen. Aber es ließ sich nicht ändern. Blut war dicker als Wasser.
    Als Leon endlich zurückkam, saß Nico an einem der Tische im Gastraum. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt. Sie sah ihm entgegen, als er den Raum durchquerte. Sie mochte es, wie er sich bewegte und dass er trotz der Ruhe, die er immer auszustrahlen schien, wach und aufmerksam war. Vielleicht hatte sie auch einfach nur Freude daran, ihm zuzusehen, egal bei was. Beim Gehen, beim Sitzen, beim Holzhacken, beim Feuermachen. Beim Lebenretten. Etwas in ihr zog sich schmerzlich zusammen. Vielleicht war es das letzte Mal, dass sie ihm in der Vertrautheit eines dunklen Raumes begegnete. Er machte kein Licht, holte einfach nur einen zweiten Stuhl herunter und setzte sich ihr gegenüber.
    »Du hast eine Grenze überschritten.«
    Keine Wut, kein Vorwurf, nur kühle, klare Analyse. Sie schnitt wie ein Messer ins Herz.
    »Trixi auch«, antwortete Nico. Ihre Stimme klang ruhig. Das erstaunte sie. Da zerbrach etwas in einem, da war die Seele bis ins Innerste erschüttert, und sie redete, als wäre der Vorfall im Keller eine Lappalie gewesen.
    Leon beugte sich vor und legte die Unterarme auf seinen Knien ab. »Ich verstehe nicht, was gerade passiert.«
    »Ich auch nicht.«
    »Warum bist du in den Keller gegangen? Wegen der Gästebücher? Hättest du mich nicht fragen können?«
    »Nein«, antwortete sie leise.
    »Warum nicht? Weil ich Bedenkzeit brauche, bevor ich Menschen, die ich mein ganzes Leben lang kenne, mit ungeheuerlichen Vorwürfen belaste?«
    »Davon redet doch keiner. Es geht um …«
    »Um deinen Kopf. Um das, was du dir zusammenreimst. Du kommst hierher, kennst niemanden, fängst an, in längst vergessenen Geschichten herumzugraben, unterstellst Dinge, die ich noch nicht einmal meinem ärgsten Feind zutraue, greifst meine Leute an, klaust Schlüssel, brichst ein und bist auch noch beleidigt?«
    »Trixi ist mit einem Gewehr auf mich losgegangen!«
    »Das war unverzeihlich. Aber das, was du getan hast, auch.«
    Nico stand auf. »Okay. Ich bitte hiermit ein letztes Mal um Entschuldigung. Damit wäre zwischen uns wohl alles geklärt.«
    Sie drehte sich um und verfing sich in einem Stuhlbein. Mit lautem Getöse rutschte der ganze Aufbau vom Tisch. Nico versuchte, den

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