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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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hing nur noch in einer Lasche. Beim Fallen hatte sie sich eine Schramme an der Stirn geholt. Sie balancierte sich vorsichtig in eine halbwegs aufrechte Position, als ob sie jederzeit wieder das Gleichgewicht verlieren könnte.
    Sie war ein Wrack. Schlagartig traf Nico die Erkenntnis, dass Filis Tod noch mehr Opfer gefordert hatte. Menschen, die es einfach nicht geschafft hatten weiterzuleben. Plötzlich tat Trixi ihr unendlich leid. Und sogar Zach, der mit ihr gemeinsam in diesem Jammertal gefangen war, aus dem beide keinen Ausweg mehr fanden. Sie schämte sich dafür, wie sie mit den Gefühlen dieser Leute umgegangen war, auch wenn die es ihr nicht leicht gemacht hatten. Vielleicht hätte sie geduldiger sein sollen und nicht so nachtragend. Bis in den Keller des Schwarzen Hirschen hatte der Gedanke an Fili sie getrieben. Dabei hatte sie keinen einzigen an die Eltern des toten Mädchens verschwendet, die den Verlust bis zu diesem Tag nicht verwunden hatten.
    Die heilige Barbara war nicht nur eine Prozessionsfigur. Sie erinnerte Trixi und Zach auch jedes Jahr daran, welchen Verlust sie erlitten hatten. Wie schrecklich, so zu leben. Niemand konnte das wiedergutmachen.
    »Lass sie.« Nico musste sich räuspern, denn ihre Kehle war rau vom Rauch und all dem Staub, den sie eingeatmet hatte. »Es tut mir leid. Ich hätte nicht rumschnüffeln dürfen. Ich werde gehen. Ich bleibe nicht hier. Vielen Dank für das Zimmer, aber ich habe Sie schon viel zu sehr aufgeregt.«
    Trixi klopfte sich den Staub aus dem Bademantel. »Ich weiß gar nicht, was passiert ist«, sagte sie und sah sich mit flackerndem Blick um. »Sie suchen doch Fotos. Wir haben noch welche. Im Garten und an Weihnachten und den Geburtstagen. Es waren ja nicht so viele. Ich hab sie alle aufgehoben. Wo sind sie denn?«
    Sie hob den Deckel eines Kartons und ließ ihn ratlos wieder los.
    »Welche Fotos?«, fragte Leon leise und wütend.
    »Irgendwo müssen sie doch sein. Ihre Schuhe. Und das Kästchen mit den Milchzähnen. Ich hab alles aufgehoben. Nichts weggeschmissen. Auch ihr Zimmer ist noch so, wie es war. Manchmal gehe ich rein und lege mich zu ihr. Dann hab ich sie im Arm und tröste sie, wenn sie weinen muss.«
    Sie ging zwei Schritte zu einem anderen Karton und sah sich hilflos um. Leon folgte ihr und nahm sie vorsichtig beim Arm, um sie aus dem Keller zu führen. Aber Trixi entwand sich seinem Griff und suchte weiter.
    »Musste sie oft weinen?«, fragte Nico.
    Leons Kopf fuhr herum. Wütend funkelte er sie an. Kannst du nicht endlich Ruhe geben?, sollte das heißen. Nico biss sich auf die Unterlippe.
    »Komm, Trixi«, sagte er. »Wir gehen jetzt hoch und ich bringe dich ins Bett.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich … will noch nicht schlafen. Ich träume dann immer so schlecht und sehe Fili. Sie war ein Sonnenschein. Unser Sonnenschein. Unsere Prinzessin. Bis zu diesem Winter, als die da kam.« Sie wies auf Nico. »Da war sie anders. Da fing sie auf einmal an zu weinen. Und war still und redete kaum noch. Ich weiß nicht, warum …«
    In dem Blick ihrer blutunterlaufenen Augen, der Nico traf, funkelte das kalte Licht des Wahnsinns. »… aber jetzt, jetzt ist mir alles klar.«
    Leon ahnte ganz offensichtlich etwas. Er legte das Gewehr hinter sich auf einen Karton. Trixi kam mit gesenktem Kopf auf Nico zu, die nicht mehr ausweichen konnte. Sie spreizte die Finger, als ob sie Nico mit ihren Klauen ins Gesicht springen wollte. Nico wollte zurückweichen, aber die Kartons standen im Weg.
    »Was ist dir klar?«, fragte Leon und stellte sich vor sie.
    Trixi wollte an ihm vorbei, aber er packte sie an den Schultern und hielt sie fest. Aus ihrer Kehle quoll ein unmenschlicher Schrei.
    »Seit sie in Schattengrund war! Ihr habt sie vergiftet! Du und Kiana! Ihr habt mir mein Mädchen genommen! Habt sie zu einer Hexe gemacht! Ihr habt sie umgebracht! Umgebracht …«
    Leon hielt Trixi eisenhart umklammert. Der Schrei wurde zu einem Wimmern. »Ist ja gut«, sagte er und drückte sie an sich. Es schien weniger aus Mitgefühl zu geschehen als aus dem Willen, sie daran zu hindern, noch einmal auf Nico loszugehen. »Ist ja gut. Keiner hat Fili umgebracht. Es war ein Unfall, und das weißt du.«
    »Sie war im Grab!«, schluchzte Trixi. »Im silbernen Grab oben am Berg …«
    Es klang so schauerlich, dass Nico eine Gänsehaut bekam. Woher kannte Trixi Kianas Märchen? Hatte Fili ihrer Mutter vielleicht davon erzählt? Kiana hatte es ihr bestimmt nicht vorgelesen – zwei

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