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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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zitterten zu sehr. «Ich werde mich hinlegen», entschied Sabrina. «Dann musst du die Waffe nicht so hoch halten, das wird besser gehen.»
    Sie legte sich auf den Boden, Merle musste sich neben sie knien, und sie übten, wie und wohin Merle den Revolver halten sollte. Mami entschied, sie müsste zweimal hintereinander schießen, zur Sicherheit.
    Und dann erklärte sie ihr, was sie danach alles tun sollte, damit niemand erfuhr, was wirklich geschehen war. Niemand durfte wissen, dass Merle den Dämon getötet hatte. Alle sollten denken, dass ein fremder böser Mann ins Haus gekommen war und auf Sabrina geschossen hatte. Merle musste das Geheimnis für sich behalten, schärfte Sabrina ihr ein, für immer und ewig, so wie alle anderen Geheimnisse auch. Sie durfte nicht einmal Wolke etwas davon sagen.
    «Wir werden es am Neujahrsmorgen in der Küche machen», entschied Sabrina. «Dann liegt Thomas verkatert im Bett und bekommt nichts mit. Wenn er was hört, denkt er, es sind Knaller, und dreht sich im Bett um und pennt weiter. Bis dahin üben wir einmal am Tag.»
    ***
    Es war das schrecklichste Weihnachten, das Merle je erlebt hatte. Die Weihnachtsfeiertage waren meist schrecklich, weil Thomas die ganze Zeit zu Hause war und sich langweilte, und dann wurden die Dämonen wach, weil sie sich auch langweilten. Nur einmal war Weihnachten schön gewesen, da war Merle vier und Tante Janine aus Kanada zu Besuch. Vor ihr mussten die Dämonen sich verstecken. Janine hatte wohl einen Schutzengel, genau wie Julia.
    Dieses Jahr fing es damit an, dass Merle ihr schönstes Geschenk auspackte:
World of Warcraft
. Ein großes, neues Spiel. «Das war nicht verabredet, meine Liebste», hörte sie Thomas zu Mami sagen, in diesem leisen, bösen Ton, von dem Mami immer meinte, dass es der Troll-Dämon in Papas Kopf war. Es ging hin und her, und Thomas überredete Sabrina, mit ihm in die Küche zu gehen, um sich «auszusprechen». Bald hörte man seine Stimme lauter werden und einen Stuhl auf den Fliesen quietschen und irgendein krachendes Geräusch. Merle zitterte. Sie lief hin. Mami hatte gesagt, dass Merle die Macht besaß, den Troll-Dämon zu besänftigen. Als Merle in die Küche trat, war Thomas gerade dabei, nach Mami zu treten.
    «Tommy?», sagte Merle. Thomas mochte es sehr, wenn sie ihn Tommy nannte. Sie musste ihn immer Tommy nennen, wenn der Kitzel-Dämon in seinem Penis ihn beherrschte.
    Thomas drehte sich um. «Sabrina war böse», rechtfertigte er sich. «Sie hat mir Geld gestohlen.»
    «Ich mach es wieder gut», sagte Merle, weil es ja für sie gewesen war.
    «So, so», sagte Thomas. «Du kleine, verlogene Schlampe bist auch nicht besser. Wer hat neulich die Tür abgeschlossen, damit ich nicht rein kann?»
    «Aus Versehen», sagte Merle heiser. Sie hatte Angst. Natürlich hatte sie nicht nur aus Versehen abgeschlossen gehabt. Der Kitzel-Dämon war früher mal lustig und bloß ein bisschen lästig gewesen. Jetzt aber wollte er schon lange nicht mehr nur ein bisschen gekitzelt werden. Sie musste Sachen machen, die ihr weh taten oder die sie schrecklich eklig fand, und sie hatte ein paarmal brechen müssen deshalb, und oft hatte sie Angst zu ersticken. Sie hielt es bald nicht mehr aus.
    Ihre Eltern gingen wieder zurück mit ihr ins Wohnzimmer, und alles schien wieder gut. Nur hatte Merle Angst, dass ihr jetzt etwas drohte von Thomas, nein, von dem Kitzel-Dämon, denn das schärfte ihr Sabrina immer wieder ein: Papi kann nichts dafür. Es ist nicht er, es sind die Dämonen, die von ihm Besitz ergreifen.
    Am nächsten Morgen ganz früh, als alle noch schliefen, kam er zu ihr und der Kitzel-Dämon war böse zu ihr und tat ihr weh. Zwar wollte er sie nicht ersticken, aber sie blutete aus dem Popoloch und dann kamen später dort schwarze komische Sachen raus und sie hatte Angst, dass etwas in ihr kaputtgegangen war und sie sterben musste. Und dann langweilte sich der Papi den ganzen Tag, und abends kam er und drückte Wolke an sich und küsste sie und nannte sie: «Meine Prinzessin.» Da wusste Merle, dass es der Kitzel-Dämon jetzt auch auf Wolke abgesehen hatte.
    Als der Papi fernsah, wollte Mami mit ihr wieder auf den Tumor-Dämon schießen üben, und Merle hielt es nicht mehr aus und verriet ihr dabei, dass ihr aus dem Popoloch komische Sachen kamen, seit der Papi ihr heute Morgen weh getan hatte, und dass der Kitzel-Dämon es jetzt auch auf Wolke abgesehen hatte.
    «Tommy liebt euch, ihr seid seine Prinzessinnen», sagte Mami,

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