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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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rief zurück, es gehe ihr nicht so gut, und nahm vorsichtig die Treppe nach unten in Angriff. Jetzt erst wurde ihr klar, die Vorschläge von Sumathi kamen für sie ja gar nicht in Frage. Das konnte er natürlich nicht wissen. Aber wenn sie sich betrunken in den Wald legte oder mit dem Föhn in die Badewanne, dann würden Thomas und ihre Eltern und Janine alle sofort denken, dass sie sich aus Verzweiflung wegen der Diagnose umgebracht hätte, und es würde Verdacht auf Selbstmord auf dem Totenschein notiert, und das würde dieser Versicherung bestimmt nicht verborgen bleiben. Sumathi hatte ihr aber das Gefühl vermittelt, dass sie ohne eigenes Geld auf Ananda nicht willkommen wäre.
    Im Laufe des Abends, während Thomas fernsah (es gab zum Glück Fußball), grübelte Sabrina. Dann legte sie neuerlich das Orakel und hatte eine Erleuchtung, was sie tun musste.
    ***
    Es wurde alles immer unheimlicher. In Mami wuchs der Dämon heran, wie sie prophezeit hatte, und manchmal kam er schon zum Vorschein. Dann wurden ihre Augen starr, und sie zuckte und fiel um. Irgendwann würde der Dämon ihren Körper ganz übernehmen. Oder er würde aus dem Körper herauskommen, wenn er herangewachsen war, wie in
Alien
. Und was dann werden sollte …
    Eines Tages nach dem Essen, Thomas war nicht da, sperrte Sabrina Wolke in ihr Zimmer ein und holte Merle zu sich. «Mami muss mit dir alleine sprechen», erläuterte sie. Merle hoffte, dass es auch wirklich Sabrina war, die mit ihr sprach, und nicht der Dämon. Doch, natürlich, sie war es, denn sie hatte Merle ja neulich gesagt, dass ein Tumor-Dämon gar nicht sprechen konnte. Er konnte nur zerstören. Oder war es der Dämon, der Mami das nur sagen ließ, um Merle zu täuschen?
    Aber nein, wenn Dämonen aus einem Menschen sprachen, hatten sie oft eine andere Stimme. Ganz tief oder ganz hoch oder lauter oder leiser. Das war jetzt Mamis Stimme.
    Sabrina setzte sich auf den Boden. Sie zeigte Merle Bilder in Schwarz-Weiß, die man im Krankenhaus vom Inneren ihres Kopfes gemacht hatte. Sie deutete auf eine Stelle und sagte: «Das ist der Dämon.» Vor Angst wollte Merle nicht hinschauen, aber Mami zwang sie. Man konnte den Dämon zum Glück nicht genau erkennen. Aber schrecklich sah es trotzdem aus. Es war ein unförmiger Knubbel mit vielen Beinchen. «Er sitzt genau hier.» Und dann demonstrierte Mami es Merle an ihrem Kopf. «Hier sitzt er», sagte sie und strich mit dem Finger über eine Stelle. Und sie sagte: «Merle, du musst mir helfen und mich vor dem Dämon retten. Willst du das?»
    «Ja», sagte Merle, obwohl es ihr die Kehle abschnürte.
    Dann sagte Sabrina: «Du musst, wenn es Mami zu viel wird, auf den Tumor schießen. Mami wird dann ihre Reise antreten auf den Planeten Ananda, und du tötest den Tumor, und dann kann er niemandem mehr etwas tun. Verstehst du?»
    Merle hatte nicht verstanden. Oder vielleicht wollte sie nicht verstehen. Es war zu schrecklich.
    Plötzlich hatte Mami Opas Revolver vor sich und schob ihn ihr auf dem Boden hin. Merle nahm ihre Hände in den Schoß. Sie hatte Angst. Sie wollte den Revolver nicht anfassen.
    «Komm, wir üben nur», sagte Sabrina. «Du bist doch ein großes Mädchen, du hast schon so viele Dämonen getötet.»
    «Julia sagt aber, ihre Mutter sagt, es gibt gar keine Dämonen, es gibt nur Schutzengel.»
    «Merle!» Jetzt hörte sich Mami ärgerlich an. «Du hörst doch sonst nicht auf die Frau Höfling. Und du weißt doch, dass es Dämonen gibt. Hast du nicht gesehen, was der manchmal mit mir macht?»
    «Doch», sagte Merle.
    «Nimm den Revolver hoch, wir probieren es mal.»
    Merle nahm den Revolver. Er war furchtbar schwer, sodass sie ihn kaum halten konnte. Der Opa war sehr stolz auf Merle, dass sie so klein war und trotzdem schon einen Revolver halten konnte. Diesen Sommer war der Opa jeden Tag mit ihr auf Bäume schießen gegangen. «Aus der wird mal eine große Jägerin», hatte er prophezeit. Er wollte mit ihr Elche jagen gehen in Schweden, wenn sie ein bisschen größer war. Und Löwen in Afrika. Deshalb hatte er ihr den Revolver geschenkt. Der Papi sollte zu einem Verein mit dem Revolver gehen und ihn dort für sie abgeben, und dann sollte er mit ihr auf der Schießbahn üben. Thomas dachte aber gar nicht daran. Er behielt den Revolver einfach. Und neulich hatte er ihn benutzt, um einem Dämon zu helfen.
    Mami zeigte ihr jetzt, wo und wie Merle den Revolver an ihren Kopf ansetzen sollte. Sie übten es ein paarmal. Aber Merles Arme

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