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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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kennst mich vielleicht noch, ich bin Andreas Winter von der Polizei. Sag mal: Kann es sein, dass du die Frau Tamm erschossen hast?
    «Ja.» Merles Stimme klang schwach und rau.
    «Warum hast du das denn gemacht?»
    «Damit wir zur Janine kommen.»
    «Zur Tante Janine aus Kanada?»
    «Ja.»
    «Da wolltet ihr lieber sein als bei der Frau Tamm?»
    «Ja. Die Tante Tamm war doof zu uns.»
    «Und du hast gedacht, wenn sie tot ist, kommt ihr zur Janine?»
    Sie nickte kaum merklich.
    «Warum? Hat die Janine euch das gesagt?»
    «Ja. Sie hat gesagt, wenn die Tante Tamm auch stirbt, dann nimmt sie uns.»
    Unglaublich.
    «Hast du mit ihr telefoniert?»
    «Nein. Sie hat mit dem Onkel Tamm telefoniert. Aber das darf ich nicht sagen, das ist ein Geheimnis.»
    In Winter stieg die Wut hoch.
    «Der Onkel Tamm hat dir gesagt, wenn du die Tante Tamm erschießt, würde die Janine euch zu sich nehmen?»
    «Ja. Da war ich allein mit ihm, da hat er es mir verraten. Aber ich darf das eigentlich nicht sagen. Bloß, er hat gemeint, ich muss es dienstags machen, wenn die Tante Tamm in dem Haus arbeitet, dann würde es niemand rausfinden. Und dass ich von draußen durch das Fenster schießen soll, damit es so aussieht, als war das ein fremder Mann. Und dann sollten wir schnell nach Hause zu Tamms gehen. Bloß – ich hatte Angst, weil da war wirklich ein fremder Mann.»
    «Und auf den hast du dann geschossen?»
    «Ja. Das habe ich bestimmt falsch gemacht.»
    «Merle, du hast alles falsch gemacht. Ganz, ganz falsch. Man darf nicht auf jemanden schießen, bloß weil man ihn doof findet. Das weißt du doch. Stell dir mal vor, ein Kind im Kindergarten würde die Wolke einfach so erschießen, weil er sich über sie geärgert hat … Und dann wäre sie für immer und ewig tot. Wie würdest du das finden?»
    Merles Gesicht begann zu zucken. Sie fing an zu weinen.
    «So, das reicht jetzt aber», entschied die Krankenschwester mit kritischem Ton. Winter war das ganz recht. Zum Abschied tat er etwas, von dem er fürchtete, dass er es noch bereuen würde. Er gab Merle seine Karte mit dem Hinweis, wenn sie wieder mal nicht weiterwisse in ihrem Leben, solle sie ihn anrufen und um Rat fragen.
    Genau da hatte ja das Problem gelegen: Das Kind hatte keinen Ansprechpartner gehabt, an den es sich mit seinen Problemen wenden konnte. Nicht einmal Birthe Feldkamp hatte dafür getaugt, weil sie die Hintergründe nicht kannte und Merles Angst vor «Dämonen» und vor Olsberg nicht einzuschätzen wusste. Zum Glück waren jetzt Andrea Vogel und Ulrike Stamitz informiert. Fall sie das Kind nach all den Offenbarungen tatsächlich behalten wollten. Was Winter irgendwie bezweifelte.
    Im Präsidium eingetroffen, ging Winter geradewegs zu Fock.
    «Er wollte dich sowieso sprechen», flüsterte Hildchen mit düsterer Miene im Vorzimmer und machte dazu einen Daumen nach unten.
    Winter begrüßte Fock, als wisse er von nichts Bösem, und tat erst mal das, was er vorgehabt hatte: Er erstattete Bericht darüber, was er gestern und heute erfahren hatte.
    Fock schüttelte die ganze Zeit ungläubig den Kopf.
    «Also, Winter, das kommt mir alles sehr wunderlich vor», kommentierte er schließlich. «Viel zu kompliziert. Und was ist mit dieser Frau Pfister? Warum hat die auf ihre Enkel geschossen?»
    «Weil sie gedacht hat, es ist ihre Aufgabe, ihre bösen Nachkommen aus der Welt zu schaffen. Es ist ein bisschen schwierig zu erklären, in was Gunhild Pfister sich da reingesteigert hat, aber unterm Strich … Sie wusste, dass Merle ihre Mutter und Frau Tamm getötet hatte.»
    «Aber woher um Himmels willen soll die Pfister das denn gewusst haben? Ich denke, sie hatte zu ihren Enkelinnen gar keinen Kontakt mehr seit dem Tod der Eltern?»
    «Nein, aber Frau Pfister wusste im Gegensatz zu uns, dass Merle die passende Waffe hatte und damit umgehen konnte. Am Anfang, als ihre Tochter Sabrina getötet wurde, hat sie vielleicht nur geahnt, was passiert war. Aber dann starb auch Frau Tamm an einem Kopfschuss. Und Frau Pfister war ja vom Jugendamt und von Brigitte Tamm darüber informiert, dass deren Tochter Verena die Kinder bei sich hatte. Jetzt gab es aus ihrer Sicht keine andere Erklärung mehr als die, dass Merle oder Wolke oder alle beide sich in kleine Mörderinnen verwandelt hatten. Da hat sie den Entschluss getroffen, die beiden sozusagen aus dem Verkehr zu ziehen. Sie hatte wohl das Gefühl, das ist ihre Pflicht.»
    Fock schüttelte den Kopf. «Abstrus, das alles. Dass Sie sich hier mal

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