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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Bliefert
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vor. Traurig, ja. Und verschlossen wie ’ne Auster. Und manchmal diese Angstanfälle … Aber ansonsten …
    Â»Ich bring euch zwei Hübschen noch an die nächste Autobahntanke«, unterbrach Thomas Malins Grübeleien »Da müsst ihr zwar ’n Stückchen wieder zurückfahren, aber an ’ner Tanke kommt ihr besser weg. Raststätte Dammer Berge. Tolle Location! Ist so ’n Brückenrestaurant, aus den späten Sechzigern. Quer über die Autobahn. Ist das okay für euch?«
    Â»Ja. Toll.«
    Â»Na klar.«
    Â»Hey, war cool, mit euch zu quatschen«, erklärte Thomas zum Abschied und drückte ihnen seine Visitenkarte in die Hand: »If you ever come to Nellinghof: be my guest!«
    Die »tolle Location« hätte unter normalen Umständen wohl tatsächlich Eindruck auf Malin und Anatol gemacht. Aber die Umstände waren nun mal alles andere als normal. Gott sei Dank wimmelte es an der Tankstelle unterhalb des Restaurants von Menschen und niemand schenkte den beiden Gestalten, die dem schrottreifen gelben Wagen hinterherwinkten, besondere Aufmerksamkeit.
    Während sie das Tankstellenangebot nach Essbarem absuchten, fiel Malins Blick auf einen Drehständer mit Batterien.
    Shit! Das hab ich völlig verdrängt! Ich muss doch alles auf Band festhalten! Damit niemand was Falsches behaupten kann, wenn mir was passiert!
    Sie hatte ihren alten MP3-Player schon oft verflucht: ein Batteriefach! Wer hatte so was Vorsintflutliches heutzutage noch? Jetzt war sie froh, denn an einen USB-Anschluss zum Aufladen war schließlich nicht zu denken. Sie nahm zwei verschiedene Viererpackungen Mignon-Zellen vom Ständer und studierte die Preisschilder. Die billigste kostete 5,99 Euro .
    Malin fluchte leise in sich hinein. Nachdem ein Gang auf die Toilette jeden von ihnen siebzig Cent gekostet hatte, waren ihnen noch knapp fünf Euro übrig geblieben.
    Â»Wir könnten nach Bremen trampen«, hatte Anatol angesichts ihrer desolaten Finanzlage vorgeschlagen, »zu meiner ehemaligen Vermieterin. Die ist total in Ordnung; die leiht mir bestimmt was.«
    Aber Malin hatte eisern darauf bestanden weiterzufahren. »Ich muss das heute Nacht durchziehen. Am Wochenende ist niemand im Haus. Sobald ich die Papiere hab und weiß, in welchem Knast meine Mutter sitzt, fahren wir zurück. Bis dahin müssen wir halt irgendwie klarkommen.«
    Malin sah, wie Anatol sich über die Kühltheke beugte und zwei Päckchen mit Sandwiches herausnahm.
    Ohne lange nachzudenken, ließ sie eines der beiden Batteriepäckchen in ihrer Jackentasche verschwinden. Das billigere, um ihr schlechtes Gewissen wenigstens ein bisschen zu beruhigen. Als sie sich neben Anatol in die Schlange an der Kasse stellte, klopfte ihr das Herz bis zum Hals.
    Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, Malin! Und egal, ob du dafür in die Hölle kommst oder nicht: Das hier ist ein Notfall!
    Im Internat hatten einige Mädchen regelrechte Klau-Touren unternommen; eine Zeit lang galten Ladendiebstähle bei ihren Klassenkameradinnen fast als eine Art Sport. Dabei war es völlig egal, ob man die Sachen brauchen konnte oder nicht; Lidschatten, Radiergummi, Schokoriegel: Hauptsache war der Thrill, etwas Verbotenes zu tun. Malin hatte bei diesen Diebestouren nie mitgemacht. Schon bei dem Gedanken, erwischt zu werden, wurde ihr übel.
    Als plötzlich jemand dicht neben ihrem Ohr zu kichern begann, fuhr sie erschrocken zusammen.
    Â»Selbst wenn du auf Batterien läufst: Mundraub gibt’s nicht mehr.«
    Malin erstarrte. Dicht hinter ihr stand ein Mädchen und flüsterte ihr ins Ohr. »Gehört zu den verbreitetsten Irrtümern, dass es einen Mundraub-Paragrafen gibt und dass Essen-Klauen nicht strafbar ist. Aber mal abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass du Batterien frisst …, das nennt sich Diebstahl geringwertiger Sachen und wird gemäß § 248a Strafgesetzbuch …«
    Â»Pscht!« Malin begann zu zittern und in ihrem Magen pulsierte ein Feuerball. »Bitte! Bitte verrat mich nicht«, flehte sie. » Ich brauch die Dinger … «
    Anatol hatte inzwischen die Kasse erreicht und die Sandwiches – buchstäblich mit seinem letzten Cent – bezahlt. Er sah sich irritiert zu Malin um.
    Â»Was ist? Kommst du?«
    Â»Sofort!«, antwortete die junge Frau anstelle von Malin, fischte die Batterien aus Malins Jackentasche, knallte sie auf den

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