Schattenherz
die Schmiede in Gretna ist mittlerweile ân reiner Touri-Betrieb. Da braucht ihr âne Menge Kohle!«
Malin und Anatol wechselten einen verzweifelten Blick.
»Die hat sie nicht mehr alle«, flüsterte Malin. » Was sagen wir denn jetzt?«
Anatol drückte beruhigend ihre Hand und übernahm â plötzlich erstaunlich souverän â die Regie. »Wir sind kein Paar, wir sind Geschwister«, erklärte er.
»Halbgeschwister«, korrigierte Malin angesichts der Tatsache, dass sie gut einen Kopf kleiner war als Anatol und ihm auch sonst in keiner Weise ähnlich sah.
»Genau. Und das mit der geklauten Tasche ist die reine Wahrheit. Unsere Eltern sind in Urlaubâ¦Â«
»⦠in der Karibik«, ergänzte Malin, der blitzartig klar wurde, worauf das Ganze hinauslaufe sollte, »auf Segeltörn.«
»Und da können wir sie natürlich nicht erreichen wegen Geld und so. Und deshalb müssen wir jetzt mal kurz zu uns nach Hause, unsere Sparbücher holen.«
»Und weil wir keinen Schlüssel haben â der war in der geklauten Tasche, verstehst du? â, deshalb müssen wir bei uns zu Hause sozusagen einbrechen.«
Kelly legte den Kopf in den Nacken und wollte sich diesmal schier ausschütten vor Lachen. »Hey«, japste sie, als sie wieder zu Atem kam, »ihr habt es hier mit âner angehenden Juristin zu tun! Okay, ist noch âne Weile hin bis zum Examen, aber verarschen kann ich mich alleine!« Sie wischte sich mit dem Handrücken die Lachtränen aus den Augen. »Mal im Ernst: Ihr wärt die ersten Einbrecher, die sich so âne alberne â und noch dazu auffällige â Verkleidung zulegen, bevor sie irgendwas anstellen!« Sie begann erneut zu kichern.
»Okay, gewonnen.« Malin gab einen resignierten kleinen Seufzer von sich. »Also, das mit der Verkleidung ist âne reine VorsichtsmaÃnahme. Es gibt, da wo wir wohnen, zwar weit und breit keine Nachbarn, aber man weià ja nie.«
»Und?« Kelly lieà nicht locker.
»Ach weiÃt du, mein â ähm unser â Vater hält uns ein bisschen arg kurz und deswegen wollen wir heimlich bei uns zu Hause einsteigen und uns mit ân bisschen Geld versorgen. Wennâs aussieht wie ân Einbruch, zahltâs die Versicherung und niemand kommt zu Schaden.«
Kelly nickte begeistert. »Cool! Und dann?«
»Dann â¦Â« Im Lügenerfinden war Malin noch nie sonderlich begabt gewesen und dieser Kelly konnte man leider so leicht nichts vormachen.
»Lass uns zusehen, dass wir die so schnell wie möglich wieder loswerden«, wisperte sie Anatol ins Ohr.
»Was dann?« Kelly lieà nicht locker.
SchlieÃlich sprang Anatol in die Bresche. »Dann fahren wir zurück an die Nordsee«, erklärte er. »ân Kumpel von mir hat da ân verwildertes Grundstück. Wir kaufen uns ân Zelt und Campingkocher und machen ân paar Wochen Ferien.«
»Super! Ich wollt schon immer mal da oben geocachen.«
»Du wolltest was?!«
»Geocachen! Nie was von gehört? So was wie âne Art Schnitzeljagd. Mit GPS und so. Da gibtâs âne weltweite Community! Jedenfalls, ich fahr euch da hin! Kein Problem! Wo liegt denn das Kaff?«
»Am GroÃen Meer«, antworteten Anatol und Malin fast gleichzeitig.
»Nee, ich meine das Kaff, wo ihr wohnt! Erst mal machen wir bei euch zu Hause den Bruch! Da bin ich dabei! Das lass ich mir nicht entgehen!«
»Kannst du mal kurz anhalten?«
Malin war aschfahl geworden. Als Kellys Mini mit quietschenden Reifen auf dem Pannenstreifen zum Stehen kam, schaffte sie es gerade noch bis zur Leitplanke, um sich zu übergeben.
»Wenn die Bullen mich hier beim Halten erwischen, kassier ich dafür zwei Punkte in Flensburg«, stellte Kelly trocken fest.
»Warum machst du es dann?«, fragte Anatol. »Setz uns doch einfach an der nächsten Ausfahrt raus.«
»Quatsch! Ich lass euch doch nicht alleine!« Sie griff ins Handschuhfach, holte eine Rolle Pfefferminzkaugummis daraus hervor und hielt sie Malin, als sie zum Wagen zurückkam, strahlend entgegen. »Wie sagte einst der olle Cicero? Freunde erkennt man in der Not!«
Kapitel 7
A rbeitshandschuhe, damit sich keiner an den Glasscherben schneidet, Nothammer, Taschenlampe, Stanleymesser. Was brauchen wir sonst noch?«
Kelly hatte den Mini auf einem Forstweg geparkt und kramte
Weitere Kostenlose Bücher