Schattenherz
Campingkocher und Nahrungsmittel zu investieren, tigerte Helmut Gräther nervös in der Kanzlei seines Freundes auf und ab. »Du bist mein Anwalt, also sag mir gefälligst, was ich tun soll!«
»Nichts. Am besten gar nichts.«
»Klaus, die haben alles mitgenommen! Sämtliche Zeitungsausschnitte, die Prozessunterlagen von damals: einfach alles!«
»Na und?«
»Na und?! Bist du bescheuert?! Das kann doch nur eins bedeuten! Wenn die rauskriegen, was damals passiert ist â¦Â«
»⦠dann erfährt deine Adoptivtochter, dass ihre Mutter im Knast sitzt. Was sollâs? Ist zwar pädagogisch nicht unbedingt âne Glanzleistung, aber schlieÃlich hast du ihr das ja nur verschwiegen, um sie zu schonen, oder?« Er hob theatralisch die Hände und zog eine übertriebene Leidensgrimasse. »Um ihr die grausame Wahrheit zu ersparen, dass ihre Mutter eine potenzielle Mörderin ist.«
Gräther verzog keine Miene. » Du bist und bleibst ein Zyniker, Klaus. Und das hilft mir nun mal überhaupt nicht weiter.«
Behrens zuckte die Achseln. » Na gut. Dann rate ich dir hiermit zum x-ten Mal, die Ruhe zu bewahren und den Ball flach zu halten. Nachdem das bei der Polizei offenbar nicht hundertprozentig geklappt hat, rufst du jetzt erst mal die Klinik an und frisst Kreide. Und zwar subito.«
»Wie du meinst.«
Gräther tippte die Durchwahl zu Dr. Spengler ein, begrüÃte den Chefarzt mit einem jovialen »Hallo, Ulli, alter Schwede!« und lieà seinem Gesprächspartner keine Zeit, auch nur ein Wort zu erwidern, bis er sich mehrfach für sämtliche Vorwürfe hinsichtlich des Verschwindens seiner Tochter entschuldigt hatte.
Dr. Spengler reagierte ungewöhnlich reserviert. Er nahm ohne weiteren Kommentar die Entschuldigung an und schützte ein dringendes Patientengespräch vor, um das Telefonat so schnell wie möglich zu beenden.
Seit die Polizei im Haus war, war er auf der Hut. Immerhin hatte er einen Ruf zu verlieren.
»Genau genommen hab ich diesen Gräther schon während unserer Uni-Zeiten nicht gemocht«, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte.
Franziska Reinhardt zog es vor zu schweigen. SchlieÃlich wollte sie ihren Job behalten.
Kapitel 9
⦠wurde gestern unter dem dringenden Verdacht des versuchten Mordes an ihrem Verlobten Helmut G. festgenommen.«
»Was?!« Malin traute ihren Ohren nicht. »Meine Mutter hat versucht, Helmut umzubringen?!«
Nachdem sie auÃerstande gewesen war, eines der Schriftstücke auch nur ruhig genug zu halten, um es zu entziffern, hatte Anatol die Papiere aus Gräthers Geldschrank in zwei Stapel sortiert: Urkunden und amtliche Schreiben auf die eine, Zeitungsartikel und Briefe auf die andere Seite.
»Ich les dir vor, okay?«
»Nein! Moment! Erst müssen wir uns überlegen, wo wir die Sachen nachher hintun. Wenn Kelly aus Emden zurückkommt, müssen wir die auf jeden Fall sofort verschwinden lassen!«
Es hatte sich rasch gezeigt, dass es gar nicht so einfach war, in Svennis leerem Haus ein Versteck zu finden. SchlieÃlich hatten Malin und Anatol sich für das Warmhaltefach eines der beiden alten Kachelöfen entschieden. Nicht gerade ideal, aber da Kelly vorhatte, drauÃen in ihrem Zelt zu übernachten, gingen die beiden davon aus, dass sie den Ofen und seinen kostbaren Inhalt im Auge behalten konnten, wann immer sie im Haus war.
Die Zeit, die ihnen bis zu Kellys Rückkehr blieb, war denkbar knapp und Malin hatte sich dafür entschieden, zuallererst anhand der Presseberichte zu rekonstruieren, was genau eigentlich damals geschehen war.
Aber selbst nachdem Anatol ihr die Zeitungsnotiz ein zweites Mal vorgelesen hatte, konnte Malin es nicht glauben. »Das ist doch vollkommener Wahnsinn! Wenn Helmut tatsächlich eine Zeit lang ihr, ihr â¦Â« Sie brachte das Wort kaum über die Lippen. »⦠ihr Liebhaber oder sogar ihr Verlobter war: Sie hätte sich doch einfach von ihm trennen können! Ich versteh nicht, wie sie das tun konnte! Hat sie dabei denn überhaupt nicht an mich gedacht? Ich ⦠ich war doch noch so klein ⦠«
Anatol legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich.
»Malin � Menschen tun manchmal Dinge, die man nicht nachvollziehen kann«, murmelte er, »auch die, die uns eigentlich beschützen müssten.«
Die Bilder, die bei dem Gedanken in Anatol aufstiegen, lösten eine
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