Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
Tylandora hat viel Dreck unter ihren Händen kleben.“
Ich glaube ihm. Man schafft es nicht so weit nach oben, ohne ein kaltes Herz.
Mich wundert, dass er sich bei mir entschuldigt. Ich überlege, wann das ein Vampir zuletzt getan hat. Mir fällt nichts ein. Er ist auf verwirrende Weise vorsichtig bei seiner Arbeit. Tylandora hätte mir allenfalls die Flasche ins Gesicht gekippt. Wobei mir klar ist, dass ihr dafür der Alkohol zu schade wäre.
Ich runzle die Stirn und greife nach der Karaffe. Er überlässt sie mir protestlos. Ich drehe sie im Mondlicht und atme überrascht ein. Er hat den Lalique Kristall-Dekanter genommen. Der Scotch darin ist unbezahlbar.
„Das ist Black Bowmore“, flüstere ich.
„ Und?“ Ungerührt tupft er weiter.
„ Sie benutzten das für meine Kratzer“, stelle ich fassungslos fest.
„ Ja und?“ Das scheint ihn so wenig zu interessieren, wie die Farbe der Vorhänge.
„ Meine Tante würde sagen, das Zeug ist mehr wert als ich.“
Ich höre ein leichtes Lachen aus seinem Hals aufsteigen. „Dann würde ich vorschlagen, du trinkst ihn aus. Dann ist er in dir drin und du gewinnst an Wert.“
Irritiert blinzle ich ihn an und verfluche, dass ich so wenig sehen kann.
Missmutig stoße ich den Atem zwischen meinen Zähnen aus. „Ich bezweifle, dass Tylandora mich als Karaffe betrachtet. Sie wird finden, dass der Scotch ruiniert ist.“
„Aber ich finde es nicht.“ Er hält im Tupfen inne. „Trink einen Schluck.“
„ Ich kann nicht.“
Was, wenn sie es an mir riecht?
„Ich werde es keinem verraten.“
Dann fällt mir ein, dass ich mich ohnehin umbringen werde. Innerlich zucke ich mit den Schultern. Noch nie habe ich etwas so kostbares getrunken.
„Also schön“, murmle ich und werde noch einmal verwegen. Fühle eine alte Freiheit in mir. Ich begreife, dass es wahr ist, dass sie mir nichts mehr nehmen kann und ich für diese kurze Zeit tatsächlich endlich frei bin.
Ich halte das Gefäß an meinen Mund und nippe daran. Teufel auch! Das brennt wie Zunder. Der Geschmack lähmt meine Zunge. Sprachlos starre ich es an.
Abermals höre ich ihn lachen.
„ Du musst schon einen richtigen Schluck nehmen.“
Ich straffe mich und probiere es. Der Whisky beißt sich meine Kehle hinab und landet warm in meinem Magen. Ich drücke ihm den Dekanter in die Hand und kneife meine Augen zu.
Der Geschmack schwappt in Wellen durch meinen Mund. Erst scharf, dann süß. Ein Aroma wie Honig, Vanille und Früchte. Dann bemerke ich die herberen Noten. Erdig wie feuchter Boden. Rauchig und durchdringend, als könnte ich das Eichenfass heraus kosten, in dem er gelagert wurde. Ich konzentriere mich, will diesen Eindruck noch mitnehmen. Da ist ein Hauch von gerösteten Nüssen, wohlschmeckend und doch streng. Eindeutig ein maskulines Getränk. Wow.
Als ich meine Augen öffne, sehe ich, dass er selbst einen Schluck trinkt. Er dreht mir sein Profil zu und ich kann es vor dem Fenster erkennen, wie einen Scherenschnitt. Er hat eine leicht gewölbte Stirn, schwungvolle Brauen, eine gekrümmte Nase. Sein Mund ist durch die Karaffe verdeckt, aber sein Kinn scheint kräftig und markant. Ich sehe, wie sein Adamsapfel sich vom Trinken bewegt.
Mit neugierigen Augen beobachte ich ihn. Er ist älter als ich, aber deutlich jünger als Callistus. Ich schätze ihn auf Anfang dreißig. Noch nie war ich in der Abgeschiedenheit eines Raumes mit einem Mann allein. Nie so vertraut durch Stille und Dunkelheit. Nie so nah oder verbunden durch die Berührung von Händen.
Ich erinnere mich an heute Morgen, an Fernando und seine Brutalität. Dies hier ist surreal. Der Vampir heute Morgen war viel zu echt.
Schließlich setzt er die Flasche ab und nickt.
„ Ganz passabel.“
Ich muss kichern, weil ich so einen Kommentar allenfalls bei selbst gemachter Cola erwarten würde und keinem zig Tausende kostenden Single Malt. Mir fällt auf, dass wir aus derselben Flasche getrunken haben wie alte Freunde, aber mir ist klar, dass wir das nicht sind.
Etwas wacklig versuche ich, auf die Beine zu kommen und er steht in einer fließenden Bewegung auf und hilft mir hoch. Schon wieder ist meine Hand in seiner. Ich fühle mehr davon, als ich sehe. Sein Daumen reibt über meinen Handrücken und eine Gänsehaut rieselt mein Rückgrat hinab wie Schnee im Dezember.
„ Was wirst du tun?“, fragt er mich und lässt mich nicht los.
Mein Hals ist trocken. Ich denke an das Messer, meine Verabredung mit dem Tod und schaue auf den
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