Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
Fuß aus der Luft und macht einen Satz auf mich zu.
„ Nein!“, kreische ich und versuche ihn zu schneiden, versuche mich zu schneiden. Er packt meine Hand und donnert sie gegen die Wand. Schmerz explodiert darin und mir fällt die Klinge aufs Bett. Er zerrt mich runter und schüttelt mich wütend.
„ Was zum Teufel soll das werden?“, schnauzt er mich an. „Du hast kein Recht, über dein Leben zu entscheiden. Tylandora hat dich verkauft und ich sorge dafür, dass der Besitz heil übergeben wird. Danach bist du nicht mehr mein Problem. Wenn du diese Messer bei deinem neuen Herrn noch brauchst, dann packe sie dir ein und mache es dort!“
Er hört auf mich zu schütteln und ich klatsche zu Boden wie eine gefällte Tanne. Er tritt einen Schritt zurück und faltet die Arme vor seiner Brust.
„Jetzt sammle deine Siebensachen ein und wasch dich ab! In diesem Zustand lässt du dich nicht blicken. Wie gesehen, so gekauft. Und so hat er dich mit Sicherheit nicht gesehen.“
Fahrt ins Ungewisse
Eine halbe Stunde später stehe ich in der kalten Nacht am Seiteneingang des Hauses. Neben mir am Boden liegt eine Tasche mit meinen Habseligkeiten. Da ich an beiden Händen verletzt bin, kann ich sie nicht halten. Tylandoras Vampirlakai hat sie herunter getragen und neben mir auf die Pflastersteine fallen lassen. Dann hat sich sein Finger unter meine Nase gebohrt.
„ Du wartest hier!“
Mit dieser Anweisung war er hinein gestapft. In die Wärme. In mein verlorenes Leben. Es ist nun anders vorbei, als ich beabsichtigt habe. Ich mache mir nichts vor, weiß, dass er mich beobachtet. Und ich mache mir auch nichts vor, wenn ich denke, dass Tylandora es nicht tut. Ihre Geschäfte gehen allzeit vor. Wenn ich Glück habe, werde ich sie nie wieder sehen. Alles andere ist wenig tröstlich.
Um den Mond glimmt ein fahler Lichthof und ich atme kleine Wölkchen aus. Meine Hände stecken in Verbänden mit Fäustlingen darüber. Ich puste hinein, um sie anzuwärmen, aber die Kälte will mir nicht aus den Knochen weichen. Ich hoffe, ich bin genauso betäubt, wenn Callistus... Der Gedanke bleibt mir in den Eingeweiden stecken, pervertiert all meine Hoffnungen.
Eine schwarze Limousine fährt vor. Die Fenster sind verdunkelt und spiegeln die Umgebung. Ich kann mich selbst darin sehen. Verloren wie ein Geist in der Scheibe. Irgendwo krächzt ein Rabe im Geäst des Parks. Ich kann keinen wirklichen letzten Blick mehr auf das nehmen, was die vergangenen dreizehn Jahre mein zu Hause war, weil alles in Dunkelheit liegt.
Der Fahrer steigt aus, kommt herum und öffnet mir die Tür zum Heck des Wagens. Er bleibt daneben stehen und wartet. Ich schaue noch einmal zurück. Leere Fenster. Keine Tante. Kein Abschiedsgruß. Seit sie mich als Flittchen beschimpft hat, habe ich sie nicht mehr gesehen.
Ich weiß nicht, was danach passiert ist. Vermutlich hat sie den Fremden aus dem Haus geworfen. Es war nur ein Kuss, den ich mir aus meinem gottverlassenen Leben gestohlen habe. Verboten. Der Geschmack von Black Bowmore klebt in meiner Erinnerung wie eine Grußkarte aus einem fernen Land.
Ich wende mich von der düsteren Kulisse des Hauses Tylandor ab und drehe mich zur Limousine. Es ist ein gutes Zeichen, dass Callistus sich noch nicht darüber beklagt hat, dass der Wagen durch mein Trödeln und die offene Tür inzwischen Außentemperatur angenommen hat. Mein Blick heftet sich auf seinen Fahrer und ich versuche in seinen braunen Augen zu ergründen, welches Schicksal mir bevorsteht.
Er betrachtet mich geduldig. Blondes Haar weht um sein junges Gesicht und er lädt mich mit seiner freien Hand zum Einsteigen ein. Hinein in eine Zukunft mit einem alten Mann.
Ich weiß nicht, ob er mich schlägt wie meine Tante. Aber er wird etwas anderes tun, das ich bisher nie erdulden musste. Das kommt mir wesentlich schlimmer vor. Es ist naiv, an Märchen zu glauben und zu hoffen, sie könnten sich im eigenen Leben erfüllen. Mein ewiger Dornröschenschlaf wurde mir verwehrt.
Ich komme zu dem Schluss, dass mich die Sekunden hier draußen in der Kälte nicht davor retten können, dass mein neues Leben begonnen hat. Daher gebe ich mir einen Ruck und setze mich in Bewegung.
Bitte lass mich nichts fühlen.
Ich starre zu Boden und klettere in den Wagen; sehe alles an, bloß ihn nicht. Weiche Lederbezüge und ein eleganter Innenraum schimmern in einem perfekten Schwarz. Es erschließt sich mir nicht, weshalb Vampire so auf düstere Farben stehen, aber es würde
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