Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
herumschlagen, bis du endlich achtzehn wurdest.“
An meinem Geburtstag vor zwei Wochen hat sie keinerlei Andeutung gemacht, davon überhaupt Kenntnis zu nehmen. Ich habe mir in der Stille meiner Kammer selbst eine Kerze angezündet, die ich von einem Lüster gestohlen hatte. Ich sang mir selbst ein Geburtstagslied, hielt das Foto meiner Eltern dabei in meinen Händen und schaukelte auf meinen Knien vor und zurück. Tylandora fand die Wachsreste in meinem Zimmer. Für die entwendete Kerze bekam ich einen Tag lang nichts zu essen.
Dunkle Punkte tanzen hinter meinen Augen, als mir schwindlig wird. Mein Puls rauscht in meinen Ohren und macht meine Welt dumpf. Wie unter einen Glocke höre ich die Worte meiner Tante.
„Jetzt bin ich dich endlich los und bekomme sogar noch etwas dafür. Richte dich wieder her, Elise. Du siehst zu zerlumpt aus.“
Die Geräusche und Helligkeit ihres Empfangs dringen durch die Tür, als sie hindurch schlüpft. Dann ist sie weg und alles wird still. Ich bin ausgeschlossen aus ihrer Welt und weine. Mein Schluchzen schüttelt meinen Körper. Ich bemerke den Mann hinter dem Vorhang nicht, bis er heraustritt und vor mir in die Hocke geht.
Erschrocken sauge die Luft ein. Mit einem Satz krabbele ich von ihm weg.
„ Ich tue dir nichts“, sagt er vorsichtig.
Ich kauere mich vor die Wand und sehe ihn misstrauisch an. Es brennt keine Lampe im Zimmer und durch die Vorhänge schimmert nur der spärliche Schein vom Halbmond. Die Lichtquelle in seinem Rücken verbirgt sein Gesicht. Er ist ein schwarzer Schatten, groß und breit mit dunklem Haar. Ich erkenne ihn nicht, obwohl er an mir vorbei gegangen sein muss, als er eintraf.
„Wie sind Sie…?“ Mitten im Satz breche ich ab. Es steht mir nicht zu, ihm Fragen zu stellen. Er antwortet mir dennoch.
„ Ich war zeitig da, wollte etwas Ruhe zum Nachdenken und ging hier rein.“
„ Nachdenken“, murmle ich ohne echte Energie.
„ Tylandora ist also deine Tante.“
Ich nicke still und wische meine Tränen ab. Er seufzt.
„Um ehrlich zu sein, war ich nicht sicher, ob ich ihrer Einladung überhaupt folgen soll. Es liegt auf der Hand, dass sie sich ins Fernsehgeschäft einkaufen will und nach verschiedenen Sendern giert. Ich halte es für einen Fehler, dieser Frau noch mehr Macht in die Hand zu geben. Aber ich war neugierig, was sie anbieten würde.“
„ Und was hat sie angeboten?“ Die Frage ist raus, bevor ich nachdenken kann. Ich argwöhne, dass sie mich jedem offeriert hat. „Tut mir leid“, entschuldige ich mich.
Er legt den Kopf schief. „Was tut dir leid?“
„Ich habe nicht das Recht, Vampire etwas zu fragen.“
Ich höre ihn knurren, dunkel und unheilvoll.
„Deine Tante hält dich wie eine Gefangene, oder?“
„ Das bin ich doch auch.“
„ Sie scheint sich aus Familie nicht viel zu machen“, sinniert er.
Wir haben beide gehört, dass sie mich ertränken wollte. Mir wird klar, dass er absolut alles gehört hat. Oh nein! Innerlich winde ich mich.
„Tylandora hat keine menschlichen Verwandten“, sage ich schlicht.
Keine Liebe. Kein kleines bisschen. All die Jahre habe ich mir etwas gewünscht, das völlig unerreichbar war. Ich hatte geglaubt, mich von Männern fern zu halten sei ihre Art, mich zu behüten. Ich habe mich ja so geirrt.
„Sie hat mir noch gar nichts angeboten“, beantwortet er meine anfängliche Frage. „Dazu hatte sie keine Gelegenheit.“
„ Tylandora scheint sich mit Callistus einig geworden zu sein. Ich bin Teil ihrer Abmachung.“
„ Callistus? Der alte Gaul?“
Der Mann vor mir klingt fassungslos und mir wird klar, dass ich seinen Namen nicht kenne. Etwas unwohl streiche ich über mein Haar. Ich weiß, dass ich mich herrichten soll, aber ich fühle mich wie gelähmt.
Er streckt seine flache Hand nach vorn, um mich zu beruhigen und kommt langsam näher. Ich verschmelze mit der Wand in meinem Rücken, lege mich wie eine Tapete an sie. Ich habe nicht gelernt, jemandem zu vertrauen. Trotzdem ist es ungewohnt, dass er nicht einfach zupackt, wenn er mir wehtun will. Als er bei mir angelangt, halte ich den Atem an.
„ Lass mich das sehen“, murmelt er und zeigt auf meine Wange.
Reflexartig nehme ich meine Hand hoch und verdecke sie.
Er grollt: „Wer hat das gemacht?“
„ Was gemacht?“
Er war doch eben dabei.
Sein Finger berührt meinen geschwollenen Daumen und ich zucke zusammen; nicht aus Schmerz. Der Kontakt lässt mich schaudern.
„ Shhh“, beruhigt er mich. „Woher
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