Schattenherz
Pferdekriegerin nach der Gefahrenquelle suchend um und verhielt ihr Roß.
Celinor folgte ihrem Beispiel und fragte: »Was ist passiert?«
Erin blickte hinauf zu den stahlgrauen Wolken. Über dem Horizont kam eine noch dunklere Wolke auf sie zugerast.
Ihr Atem ging schnell, sie brachte kaum ein Wort hervor.
»Macht Euren Bogen bereit«, raunte sie, denn sie glaubte, genug Zeit zu haben.
Sie sprang aus dem Sattel, schnappte sich ihren Bogen und wollte die Sehne einhaken. Celinor tat es ihr nach, während er offenen Mundes den Streifen der immer näher kommenden Nacht anstarrte. Er glich einem gewaltigen Fisch, der hinter den Wolken schwamm, fand Erin. Ein riesiger Fisch, der in den Tiefen lauert, halb verborgen, kaum zu erkennen, und der nur darauf wartet, zuzuschnappen.
Ich habe keine Angst, versuchte sie sich einzureden.
Ich bin eine Pferdeschwester. Die Pferdefrauen aus Fleeds geben ihrer Angst nicht nach.
Trotzdem spürte sie die Furcht bis auf den Grund ihrer Seele.
Als Kind hatte sie immer davon geträumt, eines Tages werde sich ein Erdkönig erheben. Damals war ihr das stets wie eine prachtvolle und heldenhafte Zeit erschienen, wenn sie in seine Dienste eintrat und gegen das Böse kämpfte.
Doch obwohl Erin eine Pferdefrau war und oft an
Scheingefechten und Wettkämpfen teilgenommen und sich gelegentlich sogar auf einen Streit eingelassen hatte, einer Gefahr wie dieser hatte sie sich noch nie gegenübergesehen.
Noch nie war sie sich hilflos vorgekommen.
Sie hatte ihren Bogen fertig gespannt, als Gaborn abermals zu ihr sprach. »Flieht, Erin!«
Sie ließ ihren Bogen fallen und sprang wieder in den Sattel.
Sie saß zu Pferd, noch bevor ihr einfiel, daß Celinor nicht Erwählt worden war und Gaborns Anordnung nicht gehört haben konnte. Er stand noch immer da und beschäftigte sich mit seinem Bogen. »Dafür ist keine Zeit!« schrie sie. »In den Wald! So kommt schon!«
Celinor sah überrascht zu ihr hoch. Sein Bogen war
einsatzbereit. Der Hang über ihnen war mit Erlen bewachsen, von denen viele ihre Blätter noch nicht verloren hatten. Erin hoffte, sich dort verstecken zu können.
Die Dunkelheit stieg aus den Wolken herab, eine brodelnde Masse dunkler Nacht, die für das Auge undurchdringlich war.
Oberhalb dieser Masse gab es nichts als Finsternis, die sich fast über den gesamten Himmel erstreckte. Ein gewaltiger Feuerwirbel schien wie ein Tornado mit einer Nabelschnur an der Kugel aus Finsternis befestigt und alles Licht ins Zentrum dieses Unwetters einzuspeisen.
Und so drehte und kreiste ein Feuerwirbel über der
wallenden Dunkelheit, während diese sich auf sie hernie-dersenkte.
»Lauft«, schrie Erin. Celinor griff seinen Bogen, sprang auf sein Pferd, und im Galopp sprengte sie von der Straße herunter.
Die Dunkelheit hatte sich genau entlang der Straße in die Durkinberge bewegt. Jetzt drehte sie bei und senkte sich tiefer.
Hinter ihnen schrien Erins und Celinors Days entsetzt auf, eilten ihnen hinterher und versuchten mit aller Kraft, zu den schnelleren Pferden aufzuschließen.
Erin trieb ihre Stute eine Böschung hinunter und hetzte in den Wald. Ihr Pferd galoppierte zwischen vereinzelten Bäumen hindurch, sprang über Gestrüpp und kleine Felsen, während ihr der Wind ins Gesicht schlug und sich ringsum die Nacht auf sie herabsenkte.
Sie sah sich um, als die geballte Dunkelheit, eine halbe Meile im Durchmesser, den Erdboden berührte. Eine gewaltige Wand aus Wind fuhr tosend in die Bäume auf dem Hügel und walzte sie nieder. Gewaltige, alte Patriarchen der Wälder knickten um wie dünne Zweige. Die Bäume protestierten schreiend, und das Tosen des Windes glich dem Fauchen eines wilden Tieres. Geäst und Herbstlaub wirbelte im wühlenden Wind umher. Erin konnte nur die Ränder des Unwetters erkennen, nur den Wind, der Trümmer hochwirbelte, denn in seiner Mitte flog eine Wolke schwärzester Nacht heran.
Der Wind hatte gewaltig zugenommen. Die Vorderfront der Wand fegte über die Straße und traf das Pferd von Erins Days mit solcher Wucht, daß die Stute zur Seite taumelte und sich über seine Reiterin wälzte.
Dann packte der Wind Pferd und Reiter. Wie von
Geisterhand wurde die Days hochgehoben und in die Luft geschleudert.
Erin mußte an eine Zeile aus einem alten Buch denken, die Beschreibung eines Glorreichen in der Schlacht: »Und mit ihm kamen die Sonne und der Wind, ein Wind, der von seinen Schwingen ausging wie ein Sturm und der die Schiffe bei Waysend zerschmetterte
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