Schattenherz
Glorreichen der Finsternis schien ungeheuer. Kein Pfeil hätte diesen tosenden Sturm durchdringen können. Kein Reiter, ganz gleich wie tapfer oder tüchtig, hätte sich mit einer Lanze auf die Bestie stürzen können.
Gegen diese Bestie konnte sie nicht kämpfen, sie wußte nicht einmal, ob sie sich vor ihr verstecken konnte.
Ein Blitz schlug krachend über ihnen ein, und die trockenen Stämme gingen in Flammen auf wie trockener Zunder.
Im gleißenden Lichtblitz konnte sie für einen winzigen Augenblick etwas erkennen: Hinter dem Stamm der
umgestürzten Fichte, zwischen ihren noch unversehrten Ästen, erkannte sie einen schwach glänzenden Umriß.
Die tief geduckte Gestalt eines Mannes mit Flügeln. Er stand im Flußbett, pirschte sich an sie heran. Dunkle Flammen umzüngelten ihn, so als erzeugte und verzehrte er gleichzeitig Feuer.
Erin spürte, wie die Luft sich auflud. Ihr Haar stand senkrecht in die Höhe, als statische Elektrizität sie einhüllte.
Sie bekam Angst, der nächste Blitz könnte sie durchbohren.
In diesem Augenblick, als der Glorreiche der Finsternis sich an sie heranschlich, flaute der Wind ganz plötzlich ab. Erin wagte nicht, sich in der völligen Finsternis von der Stelle zu bewegen. Sie spürte, daß sie sich im Zentrum des Sturms befand.
Über ihr, dort wo der Blitz eingeschlagen hatte, gingen die trockenen Stämme und das Unterholz, unter dem sie sich verbarg, tosend in Flammen auf. Der Glorreiche der Finsternis hob ab und fachte die Flammen mit seinen Flügeln an.
Die Bestie stieß ein unheimliches Geheul des Entzückens aus
– ein Laut, schöner und gleichzeitig schmerzerfüllter als jeder, den sie je gehört hatte, die Arie eines Verdammten.
Rauch hüllte sie ein, drohte sie zu ersticken. Aststücke und Borkenfetzen segelten lichterloh brennend durch das Gewirr aus Stämmen, regneten überall herab. Ein Stamm stürzte herab und verpaßte Celinor einen deftigen Schlag ins Kreuz. Ein heißes, glühendes Scheit landete auf Erins Hand.
Sie stieß es fort, und das Feuer entzündete trockene Gräser in der Nähe. Aus dem trüben Licht heraus erblickte sie links von sich eine Böschung. Der Bach hatte ein wenig Erde ausgewaschen und einen Überhang geschaffen, und sie glaubte, wenn es ihr gelang, die Unterhöhlung zu erreichen, könnte das Erdreich darüber sie womöglich vor dem Inferno schützen.
Sie berührte Celinor am Arm und bedeutete ihm, sich links zu halten, stellte jedoch erschrocken fest, daß er bewußtlos war. Er hatte versucht, sie mit seinem Körper zu schützen.
Jetzt erkannte sie, daß der herabstürzende Baumstamm ihn härter getroffen hatte als angenommen. Er war bewußtlos, wenn nicht gar tot.
Sie wälzte sich unter ihm hervor, packte den Kragen seines Kettenhemdes und ging daran, ihn unter großen Mühen unter dem brennenden Holz hervorzuzerren, ihn Zentimeter für Zentimeter in Sicherheit zu bringen.
Ein heißer Ast stürzte herab und traf Celinor mit einem dumpfen Schlag in den Rücken. Er schrie vor Schmerz, blickte mit schweiß- und blutverschmiertem Gesicht kurz zu ihr hoch und verlor erneut das Bewußtsein.
Sie mühte sich weiter, schaffte es, indem sie über den einen Stamm kletterte, unter dem anderen hindurchkroch, zur Hälfte aus dem Gewirr der Stämme heraus, als sie plötzlich merkte, daß der Wind sich gelegt hatte. Helles Tageslicht beleuchtete das Inferno.
Sie hob den Kopf und schöpfte Hoffnung, immer noch
unsicher, ob sie es überhaupt alleine schaffen konnte, unter dem Gewirr aus brennenden Stämmen hervorzukriechen, bevor dieses unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrach.
Doch der Glorreiche der Finsternis war verschwunden.
Dumpf wurde ihr bewußt, daß Celinors Aufschrei sie
womöglich gerettet hatte. Der Glorreiche der Finsternis muß ihn für tot gehalten haben. Sie wälzte Celinor mit einem Ruck auf den Rücken und fragte sich, ob der Glorreiche der Finsternis damit vielleicht sogar recht behalten hatte.
KAPITEL 23
Tapfere Lords
G
aborn konnte nur tatenlos mit ansehen, wie der Glorreiche der Finsternis das Licht aus dem Himmel sog und zu einem Feuerstrudel verdichtete, der wirbelnd bis in ein Knäuel tiefschwarzer Nacht hinunterreichte.
Gaborn fühlte sich matter als je zuvor, konnte kaum seine Augen offenhalten, viel weniger seine Gedanken ordnen. Seit Tagen hatte er nicht geschlafen, hatte ganz plötzlich seine Gaben verloren und war kaum noch in der Lage, seinen Kopf hochzuhalten.
Mit dem Näherkommen der Bestie wurde
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