Schattenherz
versetzt hatte. Dies war keine gewöhnliche Frau. Sie war eine Pferdefrau aus Fleeds, eine Kriegerin mit vielen Gaben der Muskelkraft und Anmut, die es vermutlich sogar mit Hoswell aufnehmen konnte.
Doch Sir Hoswell lebte noch, und hielt sich, vornüber-gebeugt wie ein geprügelter Hund, die Rippen. Sein Gesicht war blutüberströmt. Trotzdem fauchte er: »Halte dich da raus, du fleedisches Weibsstück.«
»Och, ich würde mit einer jungen Frau nicht so derb reden, vor allem nicht, wenn sie eine Axt in Händen hält und man sie Euch nicht angemessen vorgestellt hat«, äffte sie lächelnd das höfische Benehmen einer Dame nach. Doch ihre Miene enthüllte reine Bosheit.
»Sie hat es gewollt«, verteidigte sich Sir Hoswell.
»Was hat sie gewollt – vergewaltigt zu werden? Selbst wenn sie so etwas gewollt hätte, käme nur die übelste Sorte Knappe von allerniedrigster Geburt auf die Idee, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.«
Plötzlich hatte Hoswell den Dolch aus der Scheide an seinem Bein gezogen, machte einen Satz nach vorn und warf sich auf die Frau. Dank seiner Gabe des Stoffwechsels verschwamm sein Körper zu einem undeutlichen Fleck.
Die Frau aus Fleeds tauchte ebenso flink unter seinem Schlag hinweg und wirbelte ihre Axt peitschengleich in einem gekonnten Schwung herum. Sie schmetterte ihm die Seite gegen die Stirn, doch wenn sie die Absicht gehabt hatte, dabei behutsam vorzugehen, so hatte sie ihr Ziel verfehlt. Sein Kopf gab ein Geräusch wie eine zerplatzende Melone von sich, und als er zu Boden ging, schoß aus der Wunde Blut. Zuckend lag er da und trat mit den Beinen um sich.
Die Frau aus Fleeds wälzte ihn mit der Fußspitze auf den Rücken. Sie betrachtete ihn einen kurzen Augenblick lang und runzelte dann die Stirn.
»Och, wenn Heredon keine besseren Krieger hervorbringt als diesen hier«, meinte sie nachdenklich, »kriegt mich hier kein Mann ins Bett.«
Myrrima, entsetzt über die Geschehnisse, rang noch nach Atem. Die Worte der Frau drangen zwar kaum zu ihr durch, doch sie faßte sie eher als Scherz auf.
Die Pferdelords aus Fleeds züchteten seit über tausend Generationen Pferde, züchteten sie auf Kraft, Schönheit und Intelligenz.
Auf dieselbe Weise züchteten die adligen Frauen aus Fleeds ihre Kinder. Es kam durchaus vor, daß eine Frau von hoher Geburt im Laufe ihres Lebens ein Dutzend vielversprechender Männer bat, Kinder mit ihr zu zeugen, vielleicht heiratete sie sogar einen Mann, doch daß ein Gemahl über sie herrschte, geschah niemals. Allein den Frauen gebührte das Recht auf einen Titel, denn in Fleeds war man der Überzeugung, ›kein Kind könne seinen Vater wirklich kennen‹. Die Frauen aus Fleeds lachten über die seltsame Vorstellung, daß Männer herrschen sollten. In Fleeds war der »König« daher nur ein Mann, der eine Königin geheiratet hatte. Und entschied sie sich, ihn zu verstoßen und einen anderen Gefährten zu erwählen, verlor er seinen Titel.
»Ich – äh«, stammelte Myrrima.
»Ihr – äh – was?« wollte die Frau wissen.
»Verzeiht«, sagte Myrrima. »Ich hatte ihn lediglich gebeten, mich im Gebrauch eines Bogens zu unterrichten.«
Die Frau spie auf Hoswells leblosen Körper. »Man sollte meinen, Eure Lords aus dem Norden hätten ein Interesse daran, daß Frauen lernen, wie man kämpft, jetzt, da Raj Ahten Eure Burgen niederreißt.«
Dem konnte Myrrima nicht widersprechen. Sie gab ihr recht.
Trotzdem wollte sie Hoswell nicht einfach sterben lassen. Sie kniete über ihm. Der Mann hustete und versuchte sich blindlings krabbelnd auf die Knie aufzurappeln.
Sie versuchte, ihm aufzuhelfen, doch Hoswell glotzte sie offenen Mundes an und schlug ihre Hände zur Seite. »Laß mich in Frieden, du mystarrianische Hure! Ich hätte wissen müssen, daß du mir lediglich Ärger einbringst.«
Er schaffte es bis auf die Knie, erhob sich schließlich ganz und torkelte wankend davon. Hundert Meter schaffte er und brach dann zusammen, arbeitete sich erneut wieder bis zu den Knien hoch und ruhte sich eine ganze Weile aus, bevor er weitertaumelte.
Myrrima wußte nicht recht, wie ihr zumute war. Seine Worte hatten sie gekränkt – mystarrianische Hure. Sie war hier in Heredon geboren und aufgewachsen. Hoswell kannte sie.
Nannte er sie eine Hure, weil sie einen Mann aus Mystarria geheiratet hatte?
Eine Stimme in ihr verlangte, sie solle Hoswell eigentlich helfen, aber sie wollte nicht in aller Öffentlichkeit mit ihm gesehen werden. Schlimmer noch, in diesem
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