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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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und in den finsteren Zeiten, die bevorstehen, alle zu beschützen, die er beschützen kann. Doch selbst das genügt vielleicht nicht. Andere Arten sind bereits vom Angesicht der Erde verschwunden – die Toth, die Duskiner. Die Menschheit könnte die nächste sein.«
    Der Zauberer übertrieb keineswegs. Bei ihrer Offenbarung in Binnesmans Garten hatte der Erdgeist im großen und ganzen dasselbe gesagt. Wenn überhaupt, dann ging Binnesman viel zu schonend mit Molly um, indem er mit der Wahrheit zurückhielt.
    »Die Erde hat versprochen, Gaborn zu beschützen, und er hat im Gegenzug geschworen, dich so gut zu beschützen, wie er nur kann. Aber mir erscheint es das beste, wenn du dein Kind selbst beschützt.«
    Gaborn hatte einen solchen Plan in Erwägung gezogen.
    Während der letzten Tage hatte er über einhunderttausend Menschen rings um Heredon Erwählt und so viele ausgesucht, wie er nur konnte – alt und jung, Lords und Bauern. Wenn er an einen dieser Menschen dachte, konnte er jederzeit seine Gedanken ausschwärmen lassen und kannte ihren Aufenthaltsort. Er war imstande, sie zu finden, wenn er mußte, und er wußte, ob sie in Gefahr waren. Aber es waren so viele! Daher hatte er begonnen, Ritter und Lords zu Erwählen, die bestimmte Enklaven beschützen sollten.
    Er versuchte, weise zu Erwählen, und wagte es nicht, die Gebrechlichen, die Tauben, die Blinden, die Jungen oder die Schwachsinnigen zurückzuweisen. Diese wollte er nicht als geringer denn andere betrachten, weil er sie auf diese Weise zu Opfern seiner persönlichen Vorstellungen herabwürdigen würde. Indem er einem Lord, oder auch nur einem Vater oder einer Mutter, die Verantwortung über seine oder ihre Schützlinge übertrug, gab er ein wenig jenes Drucks ab, den er selbst verspürte. Und genau das hatte er in hohem Maß getan.
    Er hatte sich seiner Kräfte bedient, um seine Lords anzuweisen und von ihnen zu verlangen, ihre Verteidigungsanlagen mit Waffen zu bestücken und sich auf den Krieg vorzubereiten.
    Molly erblaßte bei der Vorstellung, man könnte ihr die Verantwortung für ihr Kind übertragen. Sie wirkte so entsetzt, daß Gaborn befürchtete, sie würde in Ohnmacht fallen. Sie hatte ganz recht mit ihrer Vermutung, das Kind nicht angemessen beschützen zu können.
    Als Trost bot Binnesman an: »Ich werde ebenfalls helfen, dein Kind zu beschützen.« Er murmelte einige kaum
    verständliche Worte, befeuchtete seinen Finger mit der Zunge und kniete am Straßenrand nieder, um damit im Staub zu rühren. Er erhob sich wieder und zeichnete mit seinem schlammbedeckten Finger gewissenhaft eine Schutzrune auf die Stirn des Kindes.
    Allerdings war Molly offenbar in dem Glauben, die Hilfe des Zauberers werde nicht genügen. Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie stand zitternd und schockiert da.
    »Wenn es Eures wäre«, flehte Molly Gaborn an, »würdet Ihr es Erwählen? Würdet Ihr es dann Erwählen?«
    Gaborn wußte, er würde es tun. Molly hatte ihm die Antwort offenbar im Gesicht angesehen.
    »Dann überlasse ich ihn Euch…«, meinte Molly. »Als
    Hochzeitsgeschenk, vorausgesetzt, Ihr wollt ihn überhaupt.
    Ich schenke ihn Euch, damit Ihr ihn als Euren Sohn aufzieht.«
    Gaborn schloß die Augen. Die Verzweiflung in ihrer Stimme traf ihn wie ein Axthieb.
    Er konnte dieses Kind schwerlich Erwählen. Es erschien ihm grausam. Andererseits überlegte Gaborn: Das ist Wahnsinn.
    Wenn ich es Erwähle, wie viele andere Mütter werden dann zu Recht dieselbe Bitte vorbringen? Zehntausend? Hunderttausend?
    Aber was ist, wenn ich es nicht Erwähle und Molly behält recht?
    Wenn ich es durch meine Untätigkeit zum Tode verurteile? »Hat das Kind einen Namen?« fragte Gaborn, denn in manchen Ländern erhielten Bastarde keinen.
    »Ich nenne ihn Verrin«, sagte Molly, »wie seinen Vater.«
    Gaborn starrte das Kind an, sah hinter sein Gesicht und seine glatte Haut bis tief in seinen kleinen Verstand. Viel zu sehen gab es nicht – ein noch ungelebtes Leben, ein paar vage Sehnsüchte. Die Brustwarze der Mutter, die Wärme ihres Körpers, ihre Art, es mit holder Stimme in den Schlaf zu singen, beruhigten es und erfüllten es mit Dankbarkeit. Doch Verrin begriff seine Mutter nicht als Person, liebte sie nicht auf dieselbe Art, wie sie ihn liebte.
    Gaborn unterdrückte ein Schluchzen. »Verrin Drinkham«, sprach Gaborn mit leiser Stimme, die linke Hand hebend, »ich Erwähle dich. Ich Erwähle dich für die Erde.
    Möge die Erde dich heilen. Möge die Erde

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