Schattenjäger
vermocht hätte, als ihr Sterben etwas hinauszuzögern.
Sie hatten einen Patienten. Der stand an erster Stelle. Mit Händen, die nicht zitterten, fuhr Howard fort, das Klebeband zu lösen.
Die Schreie verebbten. Doch die darauf folgende Stille war noch schlimmer. Howard entfernte das letzte Stück Klebeband und löste den Psi-Schild behutsam von Ethans Kopf.
Ein blubberndes Geräusch drang von der Tür her zu ihr, und ein scharfer, säurehaltiger Geruch schoss ihr in die Nase. Heftig hustend und den Psi-Schild in Händen haltend drehte Howard sich um. Die Tür zerschmolz zu einer dampfenden Pfütze, und die Säure, die sie aufgelöst hatte, fing nun an, sich in den Boden zu fressen. Durch das Loch, das jetzt den Zugang zum Operationssaal darstellte, fiel der Blick auf Kreaturen, die geradewegs einem Albtraum entsprungen zu sein schienen.
Zerg.
Ihr Team stand wie zu Stein erstarrt da. Seltsamerweise rückten aber auch die Zerg nicht näher. Sie konnte drei von ihnen sehen, und sie standen fast reglos da. Zwei von ihnen waren recht klein – sie hatte während ihrer Ausbildung den Begriff »hundeartig« gehört, mit dem Zerglinge beschrieben wurden, aber nun, da Howard sie mit eigenen Augen sah, fand sie die Geschöpfe sehr viel unangenehmer, als das Wort es suggerieren wollte. Sie warteten, ihre Schneidezähne klickten aufeinander, auf ihren Rückenpanzern glänzte das rote Blut von Menschen. Überragt wurden sie von etwas, das aussah wie eine abartige Kreuzung zwischen einer Kobra und einem Insekt. Sensenartige Arme schimmerten im schattenlosen Licht des Operationssaals und warteten – wahrscheinlich auf den Befehl, ihnen die Köpfe abzuschneiden.
Die Zerglinge geiferten, bewegten sich unruhig, drangen ein klein wenig in den Raum vor, als wollten sie nicht in der Säurepfütze stehen.
Das medizinische Team wich zurück, als seien die Kreaturen tatsächlich Hunde, Schäferhunde von der alten Erde, die sie in die Ecke trieben. Und sie ließen es geschehen, gehorchten vor Entsetzen, verstört, weil die Geschöpfe, von denen man sich erzählte, sie würden Menschen zerreißen, kaum dass sie ihrer ansichtig wurden, eben dies nicht taten. Sie glaubten, die Zerglinge würden sie vielleicht als unwichtig erachten, und deshalb würden sie überleben und könnten eines Tages irgendwo bei einem Bier von der Begegnung erzählen.
Howard hoffte das auch. Aber sie wusste, tief in ihrem Inneren, dass sie damit einem Irrtum aufsaß.
Der Zergling an der Spitze starrte sie durchdringend an, und Howard wusste, ohne sagen zu können; woher sie es wusste, dass jemand anders als die Kreatur selbst sie durch deren Augen ansah. Der Blick dieser schwarzen Augen, stumpf und gefühllos, wanderte von ihrem Gesicht über ihre Hände hin zu der auf dem Bett liegenden Gestalt Ethan Stewarts.
Das kobraartige Geschöpf-Hydralisk, so nannte man es. Aus irgendeinem Grund war es Howard wichtig, die richtige Bezeichnung für Dinge zu verwenden, selbst jetzt, da der Hydralisk drauf und dran war, sie zu töten, und der Gedanke als solcher die Hysterie in ihr aufkochen ließ – lehnte sich nach hinten und spuckte etwas auf Ethan. Es war eine merkwürdige, klebrige Substanz, und sie breitete sich vor Howards Augen aus und hüllte Stewart in eine Art Gespinst oder Kokon. Griff ihren Patienten an.
»Nein!«, schrie Howard. Der lähmende Bann war gebrochen. Eine Lebensretterin bis zum letzten Atemzug, sprang sie vor. Der Zergling fuhr zu ihr herum, klickte vor Erregung, war offenkundig froh, erlöst zu sein von dem Befehl, Sitz zu machen und abzuwarten – die Kreatur ähnelte weiß Gott einem Hund…
Howard hörte die Schreie ringsum, als sie zu Boden schlug.
Und dann hörte sie nichts mehr.
KAPITEL ZWEI
In der Dunkelheit herrschte Schmerz.
Jake Ramsey schwamm widerwillig aus der Bewusstlosigkeit heraus den dumpf pochenden Schmerzen entgegen, die ihn geweckt hatten. Die Augen noch geschlossen, hob er eine Hand an die Stirn und betastete das verkrustete Blut, das eine ordentliche Beule überzog. Dann zischte er, als der Schmerz von dumpf und pochend zu messerscharf wechselte.
»Sie haben sich bei unserem Sprung den Kopf angestoßen«, erklang eine kühle Frauenstimme.
Für einen langen, verwirrenden Moment erinnerte sich Jake an gar nichts. Dann stürzte alles wieder auf ihn ein.
Er war an Bord eines gestohlenen Schiffes und floh vor Valerian Mengsk, dem Sohn des Kaisers. Valerian war hinter ihm her – war hinter ihm her, weil…
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