Schattenjäger
Weil du die Erinnerung einer Protossbewahrerin im Kopf hast, ertönte Zamaras kühle Stimme hinter seiner Stirn.
Ach ja, stimmt. Danke, dass du mich daran erinnert hast, dachte Jake sarkastisch.
Langsam setzte er sich auf. Alles in Seinem Kopf drehte sich, und ein paar Minuten lang versuchte er keine weitere Bewegung, sondern kämpfte nur gegen die Übelkeit an. Das Angebot, das Valerian ihm gemacht hatte – einen »spinnerten« Archäologen wie Jake anzuheuern, damit dieser einen düsteren Tempel unbekannter Herkunft erforschte –, schien ihm seinerzeit zu gut, um wahr zu sein. Und natürlich war es das auch gewesen – wie die meisten Dinge, die zu gut schienen, um wahr zu sein.
Es hatte da diesen einen kleinen Haken gegeben.
Jake hatte den Auftrag gehabt, in den »Tempel« – wie Valerian das Gebilde gerne nannte – zu gelangen. Das war ihm gelungen, indem er das Rätsel löste, das den Weg ins Zentrum einer labyrinthartigen Anlage zunächst verwehrt hatte. Und in diesem zentralen Raum… hatte Zamara gewartet. Auf jemanden gewartet, der hinter das Geheimnis kam, auf jemanden, an den sie die kostbare Last der Erinnerungen einer ganzen Rasse abwälzen konnte.
Er war beinahe wahnsinnig geworden. Sie hatte sein Gehirn neu »verdrahten« müssen. Es war mehr gewesen, als er bewältigen konnte, ein Ansturm von Bildern aus einer Zeit, die man das Aon des Haderns nannte. Als die Protoss gewalttätig und unbarmherzig gewesen waren und scheinbar nur gelebt hatten, um sich gegenseitig umzubringen. Auch jetzt noch ließen ihm diese ersten aufblitzenden Erinnerungen, die ohne Zusammenhang oder Erklärung in seinem Kopf explodiert waren, den kalten Schweiß ausbrechen.
Es war notwendig. Und du bist… unbeschädigt.
Erzähl das mal der Beule an meinem Kopf, dachte er zurück.
Plötzlich war Jake vom entbehrlichen Spinner zu jemandem mit großem Wert für Valerian und das Dominion geworden. Rosemary »R. M.« Dahl, die Frau, deren Auftrag es angeblich war, für seine Sicherheit zu sorgen, hatte sich gegen ihn und sein ganzes Team gestellt. Die Marines, die die Archäologen mit den besten Wünschen und einem freundlichen Lächeln auf den Planeten gebracht hatten, kehrten zurück, um sie zu holen – nur waren die Angehörigen des Teams nun Gefangene und keine Gäste mehr. Es war kaum ein Trost gewesen, als die Marines überraschend auch Rosemary und ihre Mannschaft gefangen nahmen.
Rosemary war es gewesen, die ihn gerade eben angesprochen hatte, Rosemary, die dieses gestohlene Schiff pilotierte. Jake stand auf und stützte sich an der Lehne eines Sitzes ab. Sein Kopf schmerzte wie verrückt, aber er versuchte es zu ignorieren, und dann wandte er sich der Frau zu, die zunächst eine Verräterin gewesen und nun eine Kameradin war.
Sie war auf ihrem Sitz festgeschnallt gewesen, als sie den Sprung vollzogen hatten, und so war sie, im Gegensatz zu Jake, einer Verletzung entgangen. Angeschnallt und verloren an einem Ort der vollkommenen und absoluten Verschmelzung mit jedem in der Nähe befindlichen Geist.
Jake hatte das Verschmelzen, das Schockierende und Bestürzende der Protoss in ihm initiiert. Als Teil des Prozesses, die Erinnerungen, die sie in sich trug, in sein Gehirn zu integrieren, hatte Zamara ihm einen der bedeutendsten Augenblicke in der Geschichte der Protoss gezeigt und ihn hindurchgeleitet: die Schöpfung und Entdeckung (denn es war beides) von etwas, das Khala genannt wurde. Es war eine Zusammenführung nicht nur des Denkens, sondern auch der Herzen und Emotionen der Protoss. Während dieses Aktes verstanden sie einander nicht nur, sie wurden fast eins.
Es war ergiebig und schön gewesen, und es war allein Jakes verzweifeltem Verlangen, sich, Zamara und Rosemary zu retten, zu verdanken, dass es ihm möglich gewesen war, sich aus dieser Verbindung zu lösen und den Knopf zu drücken, der sie ihren Verfolgern entkommen ließ – indem sie blind im Sektor umhersprangen.
Jake jedoch war nicht angeschnallt gewesen, und er zuckte zusammen beim Anblick des Blutes dort an der Wand, wo er sich den Kopf gestoßen hatte.
Der Blick von Rosemarys blauen Augen huschte an ihm auf und ab und dann zu der blutigen Stelle hin. »Wenigstens die Wandist in Ordnung«, sagte sie. Die scherzhafte Bemerkung war zweifellos beruhigend gemeint. Und selbst wenn dem nicht so war, entschied er, es so aufzufassen.
»Dann ist’s ja gut.«
Rosemary verzog das Gesicht. »Das ist aber auch so ziemlich das Einzige, was in Ordnung
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