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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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ob irgendjemand bessere Omelettes machen könnte als du. „Scherzkeks.“

5
     
     
    Vater Guillermo war klug genug, nicht über den Zustand der Kapelle zu klagen. Alles in allem nahm er die Neuigkeit gelassen hin, fiel nur um ein Haar in Ohnmacht. Ich stützte ihn und vereinbarte mit ihm ein Treffen, um die Freunde des Jungen zu befragen. Danach untersuchte ich das Zimmer des Kleinen und warf einen Blick in das Besucherregister, aber keiner der Namen kam mir bekannt oder verdächtig vor. Oscar selbst hatte kein einziges Mal Besuch gehabt, außerdem würde er wohl noch eine gute Woche lang im Koma liegen und so lange nichts zur Lösung beitragen können. In seinem Zimmer war nichts zu finden. Nichts Abnormales, meine ich.
    Egal. Ich würde dieses Geheimnis schon noch lüften. Chaldäisch deutete auf die Sorrow hin, und wenn sie auf der Suche nach Frischfleisch waren, würden sie es woanders suchen müssen. In meiner Stadt duldete ich keine Sorrow-Häuser.
    Was nicht bedeutete, dass sie nicht still und leise versuchen würden, eins zu gründen. Obwohl sie es eigentlich besser wissen sollten. Einige Jäger behalten die Sorrow einfach nur im Auge und verpassen ihnen hin und wieder einen Denkzettel, damit sie nicht unartig werden.
    Ich töte sie, sobald ich sie sehe. Und jedes Mal gewinne ich dabei ein Stück von mir selbst zurück.
    Etwa um Mitternacht kamen Saul und ich im Micky’s an. Es liegt am Mayfair Hill, im Schwulenviertel der Stadt. Der Trubel in den Nachtclubs lief gerade erst zu Hochtouren auf. Aber im Micky’s geht es ein wenig ruhiger zu. Es ist ein Restaurant, das die ganze Nacht über geöffnet hat und so gut ist, dass die Einheimischen es eifersüchtig bewachen und die Touristen es nur vom Hörensagen kennen. Drinnen sind die Wände mit Postern von Filmstars aus den vierziger und fünfziger Jahren bestückt. Weiter hinten, ein wenig versteckt, steht die Bar, eingehüllt in Rauchschwaden und Getuschel, aber immer anständig. Wer im Micky’s Stunk macht, fliegt in null Komma nichts raus.
    Das liegt daran, dass das Micky’s nicht nur ein sicherer Ort ist, an dem die Schwulen und Lesben der Stadt in den vielen kleinen Sitznischen knutschen oder sich in aller Öffentlichkeit am Tisch küssen können. Nein, außerdem sind der Wirt und das Küchenpersonal Werwesen. Auch ein paar andere NichtMenschen arbeiten hier. Obwohl einige der Kellner normale Menschen sind, ist das Micky’s der Ort, an den die Geschöpfe der Nacht kommen, wenn sie noch spät etwas essen wollen.
    Zumindest der Teil der Nachtschatten, der sich an die Gesetze hält.
    Ich streifte meinen Mantel ab, setzte mich auf eine der roten Vinylbänke und überließ Saul die Seite, auf der er mit dem Rücken zur Wand sitzen konnte. Chas hatte gerade seine Schicht. Erbrachte einen Martini und ein Heineken und setzte das Bier mit einem breiten Grinsen vor Saul ab. „Hey, mein Alter.“
    „Hey.“ Saul lächelte zur Antwort, und seine Augen leuchteten auf. „Wie geht’s dir, Chas?“
    „Kann mich nicht beklagen. – Hey, Jill.“ Chas sah aus wie Puck auf Steroide. Während er meinen Martini auf den Tisch stellte, flirtete er mit Saul. Heute Nacht trug er ein pinkfarbenes T-Shirt über der breiten Brust, auf dem in verschnörkelter Schrift Fancy Boy stand. Seine untere Hälfte bedeckte eine  Jeans, die knapp davor war, als unanständig zu gelten. Ich hätte wetten können, dass er keine Unterwäsche trug.
    „Hey, Chas. Was gibt’s Neues?“
    „So weit ist alles ruhig. Meine Schwester lässt dich grüßen.“
    Ich unterdrückte ein Lächeln. Marilyn meinte, sie sei mir was schuldig, weil ich ihrem kleinen Bruder das Leben gerettet hatte. Chas hatte sich da mal in Schwierigkeiten gebracht – es hatte was mit einem Traderring zu tun gehabt, der von einem Haus am Mayfair aus Rauschgift vertickte. Zwei Sondereinsatzkommandos waren bereits draufgegangen, als sie mich endlich dazuholten. Ich hatte in dem Haus ordentlich aufgeräumt und schließlich Chas gefunden, angekettet in einem dreckigen kleinen Zimmer mit nur einer Matratze, nackt und zitternd wie ein Karnickel. Wenn ich genau hinsah, konnte ich noch immer an seinen Handgelenken die Narben von den Handschellen erkennen. Aber nach einer Kur und den üblichen fünf Jahren Therapie ging es ihm schon viel besser.
    Und Marilyn war mir auf ewig dankbar.
    Ich hatte ihr nie erzählt, dass ich kurz davor gewesen war, Chas zu töten. Nachdem ich fünf Trader und einen kleinen hundeartigen Dämon

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