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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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auf dem Körper, während meiner unwillig zu dem zerfleischten Gesicht zurückkehrte.
    Baby Jewel. Herr im Himmel! „Ich sollte mich mit Diamond Ricky mal unterhalten.“
    „Da wird er sich aber freuen.“ Carp verzog den Mund – eine Angewohnheit von ihm, die ihn genauso aussehen ließ wie der Fisch, dem er seinen Spitznamen verdankte. Sicherlich war er sich heute auch schon mehr als einmal mit der Hand durchs Haar gefahren. Jedenfalls stand es unordentlich nach allen Seiten ab. Rosenfeld, seine Partnerin, unterhielt sich mit einem Mann von der Spurensicherung. Rosies kurzes kastanienbraunes Haar sah im Licht der Nachmittagssonne aus, als hätte es Feuer gefangen.
    „Carp, du hast die Voruntersuchung gemacht. Was ist hier los?“
    „Ein Jogger kam auf seiner üblichen Runde hier vorbei und hat die Leiche gefunden. Hat dann zwei Blocks weiter von einer Telefonzelle aus die Polizei verständigt. Allerdings hat er vorher noch mal genau da drüben hingekotzt. Wir haben keine Spuren gefunden, obwohl der Boden ziemlich weich ist, nur ein paar aufgewühlte Blätter. Es ist das beschissenste Ding …“
    Ich wartete.
    „Rosie hat sich die Sache angesehen und meint, man könnte die Tote womöglich in diese Position geworfen haben. Sieh dir ihre Arme an und wo der Kopf liegt. Ich stimme Rosies Theorie zu.“
    Ihr Leute seid unglaublich. „Von mir hörst du keinen Widerspruch.“ Ich stieß einen mächtigen Seufzer aus. „Herrgott. Wollt ihr mitkommen, wenn ich mir Diamond Ricky vorknöpfe?“
    „Scheiße noch mal, auf jeden Fall! Bei dem Gespräch will ich nur zu gern Mäuschen spielen. Wirst du ihn verhauen?“
    Mit Vergnügen. „Nur wenn er mir dumm kommt. Also freu dich nicht zu früh.“ Ich gab Saul einen Wink, und prompt schälte er sich aus den Schatten, in die er sich zurückgezogen hatte, um leichten Schritts über den rissigen Gehsteig zu mir zu kommen.
    „Ich frage ja wirklich ungern“, warnte Carp mich vor. „Aber … Jill, kannst du schon irgendwas sagen? Irgendwas?“
    „Wir haben es nicht mit ’nem Wer zu tun.“ Zumindest so weit war ich mir sicher. „Was dagegen, wenn Saul sein Ding durchzieht?“
    „Tut euch keinen Zwang an.“ Carp klang erleichtert. Wann würde ihm wohl aufgehen, dass ich noch keinen blassen Schimmer hatte? Ich wusste genauso wenig wie er.
    Und das gab mir zu denken. Jemanden auf diese Art zu töten war alles andere als normal. Es schrie förmlich zum Himmel. Und wenn etwas dermaßen laut brüllt, will es für gewöhnlich, dass ein Jäger es hört.
    Den Kopf in die Höhe gereckt, fing Saul an zu schnüffeln und ließ die Luft wie Champagner über seine Zunge rollen, schmeckte sie. Elegant verließ er den Gehsteig – ihm war klar, dass die gesamte Spurensicherung ihn beobachtete. Ohne dass seine Stiefel den geringsten Laut verursachten, trat er neben den toten Körper.
    Einen guten Meter neben der klebrigen Blutlache, die sich unter der Leiche ausgebreitet hatte, blieb er stehen. Wieder wurde mir schlecht, und ich kämpfte gegen den Brechreiz an.
    Saul legte den Kopf in den Nacken und spreizte die linke Hand, auf der sich deutlich die Sehnen abzeichneten. Seine Finger befühlten die Luft, zitterten, und dann zog er die Schultern nach oben.
    Ohne einen weiteren Blick wandte er sich ab und ging rückwärts. Als er den Gehweg erreicht hatte, machte er auf dem Absatz kehrt und sah mich an. Seine dunklen Augen funkelten, und unter seiner Bräune war er käsebleich. Er verzog die Mundwinkel, streckte blindlings die Hände aus, schloss den Griff um meine Schultern und grub mir die Finger ins Fleisch.
    Ich legte meine Hände auf seine und starrte in seine dunklen, dunklen Augen. Er sagte kein Wort – nicht bevor er nicht alles in seinem Kopf geordnet hatte. In diesem Moment standen wir einfach nur da, und ich hatte den Geschmack von Kupfer auf der Zunge.
    In all der Zeit, die ich ihn kenne, habe ich kein einziges Mal gesehen, dass Saul Dustcircle Angst hatte.
    Bis jetzt.

7
     
     
    Schwindendes Sonnenlicht tauchte die Fleischgalerie in flüssiges Gold. Die Mietskasernen wirkten eingesunken und ebenso müde wie die Frauen, die vor ihnen in Go-Go-Stiefeln, Hotpants und Jäckchen aus Kunstpelz auf- und abliefen, jede auf ihrem vorgegebenen Gehsteigabschnitt. Was diesen Teil der Lucado Street schon immer ausgemacht hatte, war Bewegung: schwingende Hüften, Augen, die unter Vorhängen aus Make-up zwinkerten und glitzerten, hochtoupiertes Haar, Glossschimmernde Lippen, die vor Kälte

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