Schattenjagd
an.
Die Terror-Aktion war nur zu seinem eigenen Besten. Ich bin kein besonders netter Mensch, und wenn es etwas gibt, das ich über alle Maßen und aus tiefster Seele hasse, dann sind es Zuhälter. Ich lasse keine Gelegenheit aus, gegenüber einem Luden mein Missfallen auszudrücken.
„Ich würde keine Sekunde zögern, dir das Hirn aus dem Schädel zu pusten, du widerlicher kleiner Schwanzlutscher.“ Mein Atem streifte seine Lippen, er bibberte wie ein Hase, der in der Falle saß. „Ich werde dir jetzt ein paar einfache Fragen stellen. Sylvie. Jewel. Was hast du ihnen angetan?“
Keine Sekunde lang nahm ich an, dass er viel damit zu tun hatte, schon allein deshalb, weil die Mädchen ihm lebend viel mehr Gewinn einbrachten, solange sie ihre Ware wackelnd feilboten. Außerdem war Ricky, so wie alle Zuhälter, ein beschissener Feigling.
Ein Kauderwelsch aus Englisch und Spanisch sprudelte nur so aus ihm heraus, von dem ich genug verstand, um ein paar Dinge klarzustellen: Vor unserem Besuch hatte er nicht einmal gewusst, dass Jewel tot war. Darüber hinaus war er mehr als willig, uns Auskunft über den Begleitservice zu geben, und ich ließ ihn eine Weile lang reden. Dann spuckte er etwas Interessantes aus.
Ich ließ ihn los, steckte die Waffe weg und war im Nu auf den Beinen. „Bist du dir sicher?“ Mädchen Nummer eins stand mit den Händen über dem Mund am Eingang zur Küche, ihre riesigen dunklen Augen waren voller Tränen.
„Klar bin ich sicher. Die dumme Schlampe!“ Ricky jammerte und vergrub das Gesicht im Leder des Sofas. In seinen Augen war ein verschlagenes Glänzen, das mir ganz und gar nicht gefiel. „In der Quincoa gibt es einen Doktor – ein polnisches Arschloch, das Kricekwesz heißt. Der kümmert sich um so was, aber das kostet. Dumme Schlampe. Verflucht dämliche Schlampe!“
„Du bist ein echter Märchenprinz, Ricky.“ Ich warf Carp einen Blick zu, der vor unterdrückter Schadenfreude schon fast hochrot war. Es tat ihm gut, mir dabei zuzusehen, wie ich etwas tat, was sich ein normaler Cop nie im Leben leisten konnte, ohne mit einer Klage wegen Körperverletzung rechnen zu müssen. „Willst du ihn mitnehmen?“
Carp schüttelte den Kopf. Er klang übertrieben gelassen. „Im Moment ist mir dafür die Zeit zu schade.“
Wortlos stimmte ich dem zu, dann sah ich mir das Mädchen an. Ihre Wangen waren tränenverschmiert, und die Art, wie sie meinem Blick auswich, verriet mir, dass ich mir keine großen Hoffnungen zu machen brauchte, von ihr etwas zu erfahren. Unterhalb des Ausschnitts ihres rosa T-Shirts war der Ansatz eines halb verblassten Blutergusses zu sehen. Sie konnte nicht älter als achtzehn sein, sah aber schon verbraucht aus.
„Tu dir selbst einen Gefallen, Süße.“ Mein Tonfall war schroff. „Steig aus diesem Geschäft aus.“ Bevor du genauso tot wie diese beiden anderen Mädchen endest.
Dann marschierte ich in Richtung Tür. Schwanger. Stylvie war schwanger.
Damit erscheinen die Dinge gleich in einem ganz anderen Licht, nicht wahr? Ein Doppelmord an ihr und ihrem Baby, und dann fehlen auch noch alle inneren Organe. Warum nur? Was soll das alles?
Draußen im Flur beäugte mich Carp, während Saul die Hand um meinen Nacken legte und mich an sich zog. Ich lehnte an seiner Brust, lauschte seinem Herzschlag und hörte allmählich auf zu zittern. Es dauerte eine ganze Weile.
Ich hatte ihm nie von Val erzählt, aber es würde mich nicht wundern, wenn er von selbst darauf gekommen wäre. Auch Michail gegenüber hatte ich es nie erwähnt, nicht einmal an den langen, sonnendurchfluteten Nachmittagen, die wir im selben Bett verbracht hatten. Doch es würde mich genauso wenig wundern, wenn Michail es gewusst hätte – er war immer so behutsam mit mir umgegangen in diesem einen Raum, dem Ort, wo wir mehr waren als nur Lehrer und Schülerin.
Saul wollte mich nicht loslassen, aber schließlich glitt ich von ihm fort, und er ließ die Arme wieder sinken. Ein Stückchen seiner Wärme blieb allerdings auf meiner Haut zurück – soviel ich mir erhalten konnte ohne seine Hände auf mir.
„Also?“ Carp konnte sich nicht länger zurückhalten.
Ich überprüfte den Gang und machte mich dann zu dessen Ende auf, wo eine Treppe uns nach unten zur Tür und der dahinterliegenden Straße führen würde. „Mein erster Eindruck? – Er hat nichts damit zu tun. Vielleicht war es nur Pech, du weißt, wie es manchmal läuft. Aber dieser Begleitservice …“
„Ja?“ Carp bettelte um
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